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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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zurückkehren müssen, wo sie als Magd diente, denn ihre Herrschaften waren offenbar sehr streng und würden sie heftig ausschelten, wenn sie zu spät kam. Gerardo hatte ihr erklärt, wo sie ihren kleinen Bruder wiedersehen könnte, und sie hatte ihn ein paar Mal besucht, aber sie war immer nur sehr kurz geblieben.
    »Wie versteht Ihr, was mein Bruder denkt?«, fragte Clara. »Wenn ich etwas sage, nickt er nur oder schüttelt den Kopf, und nach einer Weile weiß ich nicht mehr, was ich sagen soll.«
    Die alte Magd entfernte sich missmutigen Blickes mit einem kleinen Stück Käse in der Hand. Gerardo bemerkte, dass der Händler ihrem Gespräch lauschte, während er vorgab, seine ganze Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, einen großen Laib Käse anzuschneiden. Er wies Clara mit einer Handbewegung darauf hin, und sie entfernten sich ein wenig, bis sie beinahe unter dem Kreuz zu stehen kamen. Gerardo hob die Augen zu dem steinernen Kruzifix an der Spitze der Marmorsäule, als erhoffte er sich von dort eine Eingebung.
    »Ich verstehe oft auch nicht, was er sagen will«, entgegnete er. »Dann versuche ich es zu erahnen und stelle ihm Fragen. Mit seinem Ja und Nein finde ich so zu der richtigen Antwort.«
    »Ich bin kein geduldiger Mensch«, erklärte Clara kurz angebunden. »Allerdings habe ich ihm heute erklärt, dass es mir nicht freisteht, das Haus zu verlassen, wann ich möchte, und ich glaube, dass er mich verstanden hat.«
    Gerardo sah sich Clara an: Sie war eine hübsche junge Frau, wenngleich keine auffällige Schönheit. Recht klein gewachsen, mit großen kastanienbraunen Augen und ebensolchen Haaren, die unter der weißen Haube hervorquollen. Das schlichte graue Kleid vermochte ihren üppigen Busen nicht ganz zu verbergen. An den Füßen trug sie Holzschuhe. Das Mädchen konnte nicht älter als siebzehn sein. Ungefähr zehn Jahre älter als ihr kleiner Bruder.
    »Masino ist sehr empfindsam und äußerst leicht zu verletzen«, erklärte Gerardo. »Aber er verfügt auch über großen Mut, und er ist intelligent. Es ist wirklich schade, dass er nicht mehr sprechen kann.«
    »Denkt Ihr, dass er eines Tages wieder reden wird?«
    »Wer kann das sagen? Möglich ist es. Im Grunde ist er ja nicht von Geburt an stumm gewesen. Vielleicht eines Tages, wenn die Erinnerung an die schlimmen Dinge, die er erleiden musste, verblasst ist …«
    Das Mädchen zuckte beinahe gleichgültig mit den Achseln. »Aber er hat auf jeden Fall ein Bett und jeden Tag zu essen. Was glaubt Ihr, kann er Mönch werden?«
    Dies war in der Tat ziemlich wahrscheinlich. Viele Kinder, die im Waisenhaus aufwuchsen, legten später das Gelübde ab. Einige aus Berufung, doch die meisten aus den Gründen, die Clara gerade genannt hatte. Trotzdem hatte Gerardo gehofft, die junge Frau würde sich nicht so äußern. Als er ihr in die Augen blickte, meinte er unter der Maske der Gleichgültigkeit aufrichtige Sorge wahrzunehmen und beschloss, ehrlich zu ihr zu sein.
    »Ich verstehe Euch nicht, Madonna«, sagte er. »Man sieht genau, dass Ihr Masino sehr gernhabt. Und doch scheint Ihr Euch geradezu zu zwingen, ihm gegenüber Kälte an den Tag zu legen. Warum?«
    »Ich möchte nicht, dass er mich zu sehr ins Herz schließt.«
    Diese Antwort hatte Gerardo nicht erwartet.
    »Aber er ist Euer Bruder!«, rief er aus. »Soweit ich verstanden habe, seid nur ihr beide von eurer Familie übrig geblieben. Warum kann er nicht bei Euch zu Hause leben? Masino hat so viel gelitten, man hat ihm Schreckliches angetan. Er verdient es nicht, als Waise in einem Heim aufzuwachsen.«
    Clara hob ruckartig den Kopf, sodass sich eine braune Locke unter ihrer Haube löste. »Messere«, rief sie mit blitzenden Augen, »Ihr habt meinen Bruder vor diesem alten Weib gerettet, wie Ihr mir erzählt habt. Und dafür danke ich Euch. Aber urteilt nicht über mich. Ihr müsst Euch Euren Lebensunterhalt nicht verdienen. Daher könnt Ihr es Euch leisten, gut zu sein.«
    Diese Worte trafen Gerardo wie eine Ohrfeige.
    »Ja, es stimmt, ich muss für meinen Lebensunterhalt nicht arbeiten«, erwiderte er. »Seinem Nächsten zu helfen ist jedoch keine Frage des Geldes, sondern des Willens.« Er bedauerte sofort den belehrenden Ton, den er angeschlagen hatte, und versuchte einzulenken. »Entschuldigt, ich wollte damit nicht sagen, dass Ihr …«
    »Dass ich nicht den Wunsch habe, meinem Bruder zu helfen? Ist es das, was Ihr denkt?« Clara schrie jetzt fast. Das Funkeln in ihren Augen wurde immer stärker.

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