Die Bruderschaft des Feuers
legte dabei eine Sicherheit an den Tag, die er nicht im Entferntesten empfand. »Aber Bertrando Lamberti ist auf eine Weise getötet worden, von der die gesamte Christenheit bis heute noch nie etwas gehört hat. Von innen verbrannt, so scheint es, ohne dass sich das Feuer auf den Lehnstuhl ausgebreitet hat, auf dem er saß. Glaubt Ihr nicht, dass es Euch einen Ehrentitel einbringen könnte, wenn Ihr ein solches Geheimnis löst?«
Mondino sah Taverna Tolomei an, dass er interessiert war. Aber der Podestà war nicht sicher, ob er ihm trauen konnte, und das konnte Mondino ihm nicht verdenken. Wenn der Fall noch größeres Aufsehen erregte und das Geheimnis am Ende nicht gelöst wurde, dann würde der Ruf des Podestà großen Schaden nehmen.
»Ich habe schon eine Theorie, wie der Mord geschehen sein könnte«, log er. »Und an der Leiche habe ich eine seltsame Tätowierung gefunden, die mich gewiss zu dem Mörder führen wird.«
»Messer Visdomini hat mich über die Tätowierung unterrichtet, die er allerdings nicht persönlich in Augenschein nehmen konnte«, entgegnete der Podestà. »Was nun aber den Tod Lambertis betrifft, so hat er mir berichtet, dass Ihr nicht die leiseste Ahnung habt, wie er eingetreten ist.«
»Nicht bis heute Morgen«, log Mondino weiter. »Aber gerade auf dem Weg hierher hat sich mir eine Theorie aufgedrängt, die ich für sehr wahrscheinlich halte.«
Er war verblüfft über seine Kühnheit. Es kam ihm vor, als wäre er in diesem Augenblick ein anderer geworden. Als Junge hatte er einmal gesehen, wie ein Hirsch, der von Hunden gehetzt wurde, sich in einen Abgrund gestürzt hatte, was er nie getan hätte, wenn ihn nicht die Furcht getrieben hätte, dass sie ihn zerfleischen würden. Die Lügen, die er gerade erzählte, waren mit diesem Abgrund vergleichbar.
»Welche Theorie?«, fragte Taverna immer noch misstrauisch.
»Der Mörder muss einen Weg gefunden haben, das selbstentzündende Prinzip der Materie zu stimulieren«, sagte er. »Schon Arnald von Villanova hat aufgrund seiner eigenen Experimente und aufgrund der Schriften des Alchimisten Geber …«
»Ihr habt überhaupt keine Theorie«, unterbrach ihn Taverna Tolomei und hob abwehrend eine seiner dicklichen Hände. »Haltet Ihr mich für dumm?«
Mondino hatte einen Augenblick lang Hoffnung geschöpft. »Nein«, gab er dann ganz ehrlich zu, »Ihr seid ein verdammter Opportunist, aber gewiss nicht dumm.«
Der Podestà starrte ihn einen Augenblick lang mit offenem Mund an, dann fing er völlig überraschend an zu lachen. »Ihr habt gut daran getan, Arzt zu werden«, sagte er. »In der Politik hättet Ihr keine Chance gehabt.« Er schwieg kurz und musterte Mondino wie ein Pferd, das er auf dem Viehmarkt erwerben wollte. »Ihr habt recht, mein Vorgänger hat mir von Euch erzählt«, bestätigte er dann. »Er hat mir gesagt, Ihr hättet bewiesen, dass Ihr über einen scharfen Verstand und eine beachtliche Entschlusskraft verfügt.« Tolomei lächelte, doch das Lächeln erreichte seine braunen Augen nicht. Die musterten Mondino kühl, ohne jedes Anzeichen seiner üblichen Leutseligkeit. »Ich lasse Euch eine Woche Zeit, um die Leiche wiederzufinden«, sagte er. »Azzone werde ich sagen, dass ich Euch die Möglichkeit geben wollte, Euch zu entlasten. Das wird ihm nicht gefallen, aber er wird es schlucken müssen. Wenn Ihr innerhalb einer Woche nicht herausgefunden habt, wo Bertrando Lambertis Leiche hingekommen ist, wer ihn umgebracht hat und aus welchem Grund, werdet Ihr zusätzlich zu Azzones Beschuldigung noch angeklagt, Ihr hättet mit falschen Versprechungen den Lauf der Gerechtigkeit verzögert. Geht jetzt. Ihr habt keine Zeit zu verlieren.«
Mondino verneigte sich knapp, drehte ihm den Rücken zu und verließ das Zimmer. Eilig lief er die Stufen hinab, schritt zwischen den beiden Wachen am Eingang hindurch, ohne sie eines Blicks zu würdigen, und wurde nicht langsamer, bis er vor dem Schlosser stand, der mit dem Schloss im Schoß auf der Stufe vor der Medizinschule saß.
»Ich habe schon auf Euch gewartet«, sagte der Mann. »Am Schloss ist ein Stift gebrochen, ich muss es in meine Werkstatt mitnehmen, um ihn zu ersetzen. Ich werde es morgen anbringen.«
Mondino starrte auf das faustgroße Loch in der Holztür. »Ich kann die Schule doch nicht bis morgen offen stehen lassen!«
»Bezahlt jemanden dafür, dass er die Nacht hier verbringt«, riet ihm der Schlosser.
Mondino zwang sich, ruhig zu bleiben. Dies war nicht der passende
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