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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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den Ambossen erinnerte ihn an eine Kriegsglocke.
    Das war der Traum, den er nie hatte verwirklichen können.
    Doch zu dieser späten Stunde bot sich ihm im Viertel der Waffenschmiede nicht das übliche Schauspiel. Die Werkstätten waren geschlossen, die Leute blieben schön zu Hause, und man hörte nichts als das Rauschen des Regens, der vom Himmel und von den Regenrinnen herabströmte.
    Gerardo hatte einen Großteil des Nachmittags auf Baustellen von Kirchen und anderen Gebäuden verbracht und mit kirchlichen wie weltlichen Baumeistern und  magistri comacini  gesprochen, aber keiner hatte ihm etwas Nützliches zu Bruder Samueles Zeichnung sagen können. Jetzt blieb ihm noch eine Möglichkeit: in die Osteria della Pellegrina zu gehen, in der die Mitglieder der Maurerzunft verkehrten.
    Er durchquerte den Bezirk aus Kirchen, Häusern und schmalen Gassen, der auf der anderen Seite der Piazza Maggiore begann, und wenig später stand er vor der Taverne neben der Kirche Santa Croce. Beide Gebäude hatten den Tempelrittern gehört, und jetzt überlegten die Johanniter, an die fast deren gesamter Besitz gefallen war, diese an die Benediktiner zu verkaufen, die ihrerseits ernsthaft darüber nachdachten, die Kirche und die Gastwirtschaft mit allen Häusern in der Umgebung abzureißen, um dort eine große Basilika zu Ehren des heiligen Petronius zu errichten.
    Von den Armen Rittern Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem, dem Kreuzritterorden, der Jerusalem zurückerobert hatte, würden nicht einmal mehr Steine zeugen.
    Gerardo drückte die Tür der Osteria auf und schüttelte seine regennassen Haare. Hier drinnen herrschten Lärm, Hitze und Rauch, ein starker Gegensatz zu der eisigen Stille der Straße. Er war starr vor Kälte, aber abgesehen vom Kopf und den Füßen war er relativ trocken geblieben. Die Cotte aus Walkloden hatte das Wasser gut abgehalten. Der junge Mann blieb an der großen Feuerstelle in der Mitte des Raumes stehen, um sich erst einmal die Hände zu wärmen, und betrachtete das Geflügel, das dort an einem Spieß briet und von einem fünf- oder sechsjährigen Kind langsam gedreht wurde. Bei diesem Anblick verging ihm der Appetit auf Fleisch.
    Er setzte sich am Ende eines langen, abgenutzten Tisches auf eine Bank, die ächzende Geräusche von sich gab, sobald einer der Gäste am anderen Ende das Gewicht verlagerte, und bestellte mit lauter Stimme Rotwein und eingelegte Oliven.
    Vor dem Wirt kam eine Frau mit einem weit ausgeschnittenen Kleid zu ihm, die ihn mit sinnlichem Blick fragte, ob er außer dem Essen noch etwas wünschte. Gerardo erstarrte, nicht etwa weil ihn das Angebot verwirrte, das in einer Taverne nichts Außergewöhnliches war, sondern weil er über seine eigene Reaktion bestürzt war. Es verlangte ihn nämlich heftig danach, diese Frau in seine Arme zu nehmen, zu spüren, wie sich ihr heißer Atem mit dem seinen vermischte, sie zu lieben und dann mit ihr zu scherzen.
    »Nein danke, ich möchte nichts weiter«, sagte er mit belegter Stimme und wandte die Augen ab.
    Die Frau nahm die Ablehnung lächelnd zur Kenntnis und zuckte nur mit den Achseln. »Wenn du es dir anders überlegst, ein Wink genügt«, sagte sie und entfernte sich hüftschwingend.
    Dann kam der Wirt mit einer Schale Oliven in der einen Hand und einem Tonbecher, dessen Henkel beschädigt war, in der anderen. Gerardo nahm einen Schluck Wein, doch er nahm den Geschmack gar nicht wahr.
    Ehe er Tempelritter geworden war, hatte er die süßen Freuden des Fleisches gekostet. Und jetzt, da er nicht mehr an ein Gelübde gebunden war, wartete er auf die richtige Gelegenheit. Aber der Gedanke, den Akt der körperlichen Liebe auf einen reinen Tauschhandel zu erniedrigen, stieß ihn ab.
    Und doch hätte sein heftiges Verlangen nach der Frau, die sich ihm gerade angeboten hatte, fast seine Vorsätze über den Haufen geworfen. Unwillkürlich suchten seine Augen nach ihr und verfolgten sie, wie sie zwischen den Tischen umherging, jeden anlächelte und mit gespieltem Ernst zu kecke Hände abwehrte. Erst als er sie mit einem fast kahlköpfigen Freier, der auf einem Auge blind war, die Treppe nach oben steigen sah, gelang es ihm, seine Aufmerksamkeit wieder auf den eigentlichen Grund seines Hierseins zu konzentrieren.
    Während er am Wein nippte und die Olivenkerne auf das feuchte Stroh spuckte, das den Boden bedeckte, überlegte er, wie er weiter vorgehen sollte. Schließlich konnte er ja nicht von Tisch zu Tisch gehen und jedem die

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