Die Bruderschaft des Feuers
unterbrach sich kurz, und seine Worte nisteten sich wie eine Warnung in den Köpfen der Anwesenden ein. Es war so still im Raum geworden, dass man die Fackeln und Lampen deutlich zischen hören konnte. Der von all diesen Flammen produzierte Rauch zog durch ein Loch in der Decke ab, wo offensichtlich ein Abzugskanal verlief. Giovanni ergab sich dem Gedanken an die Vollkommenheit dieses unterhalb der Straßen von Bologna errichteten Heiligtums.
»Leider war das Werk der Flammen unvollständig«, fuhr der Pater fort, während er aufstand und zu der Leiche auf dem Stuhl ging, »und Bertrando hätte uns beinahe noch im Tod verraten. Ich musste vertrauenswürdige Männer bitten, seine Leiche in aller Eile aus der Medizinschule von Mondino de’ Liuzzi zu entfernen, wohin sie auf Befehl des Podestà geschafft worden war. Ich wollte verhindern, dass Mondino Einzelheiten entdeckt, die ihn auf unsere Spur führen könnten. Aber anscheinend«, sagte er und hob einen Lappen der verbrannten und verhärteten Haut an Bertrandos rechtem Arm an, »ist dies schon geschehen.« Wieder unterbrach sich der Pater, dann fuhr er fort: »Ich glaube nicht, dass die Justiz dadurch auf uns stoßen könnte, aber ich brauche euch wohl nicht zu sagen, wie wichtig es ist, nun doppelt so vorsichtig vorzugehen, um unser Geheimnis zu bewahren. Vor allem in Hinblick auf die bevorstehende Große Läuterung.«
Er ließ seine kastanienbraunen Augen über die Anwesenden schweifen, das Einzige, was man von seinem Gesicht unter der grauen Kapuze sehen konnte. Als Giovannis Augen diesen Blick kreuzten, erschauderte er unwillkürlich. Er war Bertrandos bester Freund gewesen, er hatte von dem beabsichtigten Verrat gewusst und dem Pater nichts gesagt. Nun blieb ihm nur die Hoffnung, dass Bertrando vor seinem Tod nichts geäußert oder aufgeschrieben hatte, was ihn verraten könnte.
Aber vielleicht hatte das überhaupt keine Bedeutung. Das Göttliche Feuer war eine von Gott gesandte Geißel für den, der unauslöschliche Schuld auf sich geladen hatte, und Mithras wusste genau, wer schuldig war und wessen er sich schuldig gemacht hatte, ohne dazu Dokumente oder andere Hinweise zu benötigen. Wenn er Bertrando auf diese Weise bestraft hatte, fürchtete Giovanni, dass er der Nächste sein könnte. Noch einmal bereute er von ganzem Herzen und flehte erneut, errettet zu werden.
»Wenn es noch einen geheimen Verräter in unseren Reihen gibt«, sagte der Pater mit leiser Stimme, in der ein Hauch von Schmerz mitklang, »und dieser jetzt sein Vorhaben gesteht, wenn er vor allen Mitbrüdern ehrlich bereut, kann er vielleicht auf Mithras’ Gnade hoffen.«
Giovanni verspürte einen fast unwiderstehlichen Drang, einen Schritt vorzutreten.
Aber er tat es nicht.
Der Pater konnte es nicht wissen, er hatte keinen Grund, ihn zu verdächtigen. Vor der Zeremonie hatte er ihn sogar beiseitegenommen, um ihm sein Beileid zu bekunden wegen dem, was Bertrando zugestoßen war, sie hatten zusammen einen Becher Wein getrunken und sich dabei die Tugenden des Verstorbenen in Erinnerung gerufen, ehe der Wurm des Verrats seine Seele zersetzte. Giovanni hatte Gottes Plan nicht sofort für gut befunden, und das war eine schwere Sünde, aber Bertrandos Beispiel hatte gewirkt, und jetzt war er bekehrt.
Er seufzte tief und bewegte sich nicht.
»Die Mächte des Bösen wollen uns daran hindern, unsere Aufgabe zu vollenden, die uns von unserem Gott anvertraut wurde«, sagte der Pater im Brustton der Überzeugung. »Und wir müssen ihren Widerstand überwinden. Wer von euch spürt, dass die eigene Kraft ins Wanken gerät, oder von einem Mitbruder weiß, der sich in einer solchen Lage befindet, der sage es jetzt. Niemand wird bestraft werden.«
Darauf erhob sich einer der jüngsten Mitbrüder, ein knapp sechzehnjähriger Junge, der Sohn von einem der Statthalter. »Mein Entschluss steht fest«, sagte er an alle Anwesenden gewandt. »Die Welt, die nunmehr endgültig vom Bösen befallen ist, steuert unkontrolliert auf den Abgrund zu. Es ist unsere Aufgabe, zumindest etwas für die Stadt zu unternehmen, in der wir leben. Die Läuterung durch das von Gott gewollte Feuer, von der er zu uns durch den Mund des Paters gesprochen hat, scheint ein harter und grausamer Weg zu sein, doch in Wahrheit ist es ein Werk der Barmherzigkeit. Ich bin bereit, diesen Weg, ohne zu zögern, zu Ende zu gehen.«
Man konnte ahnen, dass der junge Mann die Ansprache für diesen Moment auswendig gelernt hatte, und doch
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