Die Bruderschaft des Feuers
gestellt hatte. Er bewegte sich ohne Furcht, als wüsste er, dass Giovanni ihn nicht aufhalten konnte. Plötzlich kam dem Mönch ein Gedanke.
»Ihr habt mich vergiftet«, brachte er mühsam hervor. »Als Ihr mir diesen Becher Wein angeboten habt.«
»Nein«, erwiderte der Mann ruhig. »Nicht das Gift musst du fürchten, sondern die Macht, die du beleidigt hast und die du verraten wolltest.«
»Woher wisst Ihr davon?«, fragte Giovanni, zu betroffen, um es zu leugnen.
Der Pater schüttelte den Kopf. Unter der Kapuze ließ sich ein Lächeln erahnen. »Du kannst nicht lügen, Giovanni. Genauso wenig wie dein Freund Bertrando. Und das ist auch gut so.« Er seufzte. »Es tut mir leid, glaub mir. Ich habe bei unserem Gott Rat gesucht, und er hat mir mitgeteilt, dass es für dich nur einen einzigen Weg der Erlösung gibt.«
»Gift soll also eine Erlösung sein?« Giovannis Stimme klang immer heiserer. »Was habt Ihr mir in den Wein getan?«
»Eine Mischung, die die Bewegungen verlangsamt, das Schwitzen verhindert und die Körpertemperatur ansteigen lässt.«
Giovanni war kein Fachmann auf diesem Gebiet, aber er kannte sich ein wenig aus. Er hatte die Abhandlungen von Michael Scotus und Arnald von Villanova gelesen, und in diesem Augenblick verfügte er über die große Klarsicht der Todgeweihten.
»Und doch kann man den menschlichen Körper keinesfalls dazu bringen, über einen längeren Zeitraum eine unnatürliche Temperatur aufrechtzuerhalten«, erwiderte er. »Entweder tritt der Tod ein, oder die Wirkung lässt nach.«
Der Pater unter der Kapuze nickte feierlich. »Bei meiner Mischung verfliegt die Wirkung meist innerhalb von wenigen Stunden.«
Plötzlich hatte Giovanni da San Gimignano wieder Hoffnung geschöpft und fand zu seiner gewohnten Stimme zurück. »Sie verfliegt? Also wollt Ihr mich nicht umbringen.«
In den haselnussbraunen Augen des Paters las er große Traurigkeit. »Giovanni«, sagte er, »du kennst mich schon so lange. Du weißt, wer ich vorher war und wer ich jetzt bin. Hältst du mich wirklich für einen Mörder?«
Der Mönch schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein …«
»Der Trank, den ich dir gegeben habe, dient nur dazu, dich auf eine große Gnade vorzubereiten«, sagte der Pater. »Eine Gnade, die dich von all deinen Sünden reinigen und so deiner ewigen Seele ermöglichen wird, allen Ballast abzuwerfen und sich leicht zu himmlischen Sphären zu erheben, zum pairidaeza , dem einzig wahren Paradies.«
»Nein! Ich bitte Euch …«
Giovanni konnte den Satz nicht beenden. Er hatte begriffen, was ihm widerfuhr, und mit der Hoffnung schwand auch seine Stimme. Sein ausgetrockneter Mund brachte keinen Ton mehr heraus.
Der Pater trat an die große Wandnische mit Bücherregalen rechts neben dem Tisch und begann in den Unterlagen des Salzlagers zu wühlen. Er schien irgendetwas zu suchen. »Hast du den Brief von Titus?«, fragte er, ohne sich umzudrehen. »Hat Bertrando ihn vielleicht dir gegeben?«
Giovanni schüttelte den Kopf. Er konnte nicht mehr sprechen, und erst jetzt begriff er, worum es sich bei dem bewussten Beweis handelte, den Bertrando entwendet hatte und den er benutzen wollte, um seine Anschuldigungen zu untermauern. Er hatte ihm zwar davon erzählt, aber ohne es genauer zu erklären.
Jetzt wusste er, dass der Pater ihn töten würde. Und er begriff, dass er sich nicht dagegen wehren konnte. Alles war verloren. Hätte er doch wenigstens Bertrandos Mut besessen. Wenn er vor seinem Ende zumindest versucht hätte, den ruchlosen Plan dieses verrückten Mörders zu offenbaren, hätte er noch hoffen können, dass seine Seele im Fegefeuer landete. So dagegen war ihm die Hölle gewiss. Von wegen Paradies!
Sein Blick fiel auf den Tisch, und plötzlich kam ihm ein Gedanke, wie er einen Hinweis hinterlassen konnte. Vielleicht wäre er nicht so leicht zu verstehen, doch für mehr blieb ihm keine Zeit. Er hatte keine Kraft mehr, etwas niederzuschreiben, und selbst wenn, hätte der Pater ihm sicherlich nicht gestattet, eine Nachricht zu hinterlassen, in der er seinen Namen preisgab.
In einer unmenschlichen Anstrengung streckte er die rechte Hand nach der Klinge aus, die er zum Anspitzen der Schreibfedern benutzte. Er packte sie fest und ritzte eine Botschaft in seine linke Handfläche ein. Der Pater wandte ihm immer noch den Rücken zu und suchte zwischen den Büchern in der Nische. Als Giovanni fertig war, ließ er das Messerchen fallen und verbarg die blutende Linke zwischen den
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