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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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Gott, dem er sich angeschlossen hatte, sondern von dem, den er verlassen hatte.
    Ein liebevoller Gott konnte nicht mitleidlos den Tod von so vielen Menschen wollen. Wenn Mithras das wünschte, war sein Versprechen von Liebe und Gerechtigkeit falsch.
    Nun bereute er bitter den Tag, an dem er sich von den Worten des Paters hatte verführen lassen, der ihn mit der Vision einer reinen Zukunft angelockt und vom Glauben an Jesus Christus abgebracht hatte.
    Er hätte ihm niemals Gehör schenken dürfen, und doch hatte er ihm vertraut, hatte sich von ihm immer tiefer in den Abgrund der Ketzerei führen lassen. Man konnte gegen den Pater sagen, was man wollte, aber er wusste einen in seinen Bann zu ziehen.
    Der Stuhl hatte keine Lehne, daher stützte Giovanni sich mit den Schultern gegen die Ziegelsteinmauer. Sie musste kalt sein, aber sein Körper nahm es nicht wahr. Der Atem, der aus seinem Mund entwich, war trocken und heißer als sonst. Durch das geöffnete Fenster zu seiner Linken wehte eine frische Brise herein und strich über ihn hinweg, ohne ihm Abkühlung zu verschaffen.
    Er wollte die Nachtwächter rufen, damit sie einen Arzt holten, doch er brachte nur einen unterdrückten Schrei heraus wie ein Hahn, dem man den Hals umdrehte. Schließlich begriff er, dass dieses Unwohlsein nur ein Vorgeschmack auf die bevorstehenden Qualen im Höllenfeuer war, die er erleiden würde, wenn er sich nicht von seinem Ketzertum lossagte. Was die Bruderschaft plante, ließ sich mit keinem Glauben rechtfertigen, mit keiner von Gott gesandten Botschaft. Es war schlicht ein Massaker an Unschuldigen. Und so war es seine Pflicht, das zu verhindern.
    In einem Augenblick beinahe übernatürlicher Klarheit sah er seine Aufgabe deutlich vor sich. Christus selbst hatte ihn zu dieser Sekte geleitet, eben damit er zum richtigen Zeitpunkt deren ungeheuerlichen Plan vereiteln konnte.
    Unverzüglich traf er seine Entscheidung. Als Bertrando ihm erzählt hatte, dass er das Geheimnis der Sekte bei der Beichte enthüllt hatte, war Giovanni zunächst erschrocken, und als der Freund dieses schreckliche Ende genommen hatte, hatte sich dieser Schrecken in blanke Angst verwandelt. Aber jetzt begriff er, dass es sich um eine Prüfung handelte. Eine Prüfung, der er sich gewachsen zeigen musste, wenn er nicht in der Hölle enden wollte.
    Am nächsten Tag würde er gleich in aller Frühe zum Podestà gehen und ihm erklären, dass er von einem Ketzer verführt worden war, aber dies nun bereue. Die freiwillige Selbstbezichtigung würde ihm mildernde Umstände beim Zivilgericht wie bei dem der Inquisition einbringen. Wahrscheinlich würde er lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt werden und zu einer Pilgerreise, mit der er seine aufrichtige Reue bezeugen und Vergebung der Sünden erlangen konnte. Er würde nach Santiago de Compostela aufbrechen in der Hoffnung, dass seine Kräfte ausreichen würden, um diese Reise zu beenden.
    So konnte er sich auch von der Unkeuschheit reinigen, jener anderen Sünde, mit der er sich nur allzu oft befleckte.
    Er sah sich schon alt, gelassen und in Frieden mit Gott in jener weit entfernten wunderbaren Basilika stehen, in einem anderen Land unter Menschen, die auch  volgare  sprechen würden, wenn auch nicht sein gewohntes. Diese Vorstellung richtete ihn wieder auf.
    »Oh Herr«, sagte er leise. »Jesus Christus. Gib mir die Kraft, das Kommende zu ertragen, was auch immer es ist. Ich bin bereit zu leiden, um deine Vergebung zu erlangen, so wie du gelitten hast, um uns von den Sünden zu erlösen.«
    Wie als Antwort auf dieses spontane Gebet legte sich der kalte Luftzug, der zum Fenster hereinströmte, plötzlich. Voller Ehrfurcht wandte sich Giovanni langsam um und kämpfte gegen das wachsende Gefühl an, dass sein Hals und all seine Glieder sich versteiften.
    Da gefror ihm das Blut in den Adern.
    Im Fensterrahmen war ein Mann erschienen. Mittelgroß, in ein langes graues Gewand und eine gleichfarbige Kapuze gehüllt, die sein Gesicht verbarg und nur zwei Löcher für die Augen frei ließ. In der Hand hielt er eine erloschene Kerze.
    »Ihr!« Mehr brachte Giovanni da San Gimignano nicht mehr heraus. Er spürte, dass er nicht einen Tropfen Speichel mehr im Mund hatte. »Warum seid Ihr gekommen? Was wollt Ihr?«
    Der Mann antwortete nicht, er kam nur stumm näher. Aus einer kleinen Tasche an seiner Hüfte zog er einen Zünder heraus, schlug ihn gegen den Feuerstein und entzündete die Kerze, die er inzwischen auf den Tisch

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