Die Bruderschaft des Feuers
Falten seines Gewandes.
Jede einzelne Bewegung kostete ihn große Anstrengung, als hätten seine Glieder sich in Blei verwandelt. Er spürte ein schreckliches Brennen und hatte das Gefühl, vor Hitze zu zerfließen, und doch schwitzte er nicht. Seine Haut war warm und trocken wie die einer Eidechse in der Sonne.
Er betete, dass seine Qual bald ein Ende haben möge, doch als der Pater sich umdrehte und sich vor ihn hinstellte, befiel ihn ein namenloses Grauen.
»Du musst verstehen, dass alles im Universum seine Logik hat«, sagte der Pater. »Ich selbst habe sehr gelitten, weil ich dachte, dass mir großes Unrecht widerfahren sei. Und doch bin ich genau deswegen zu dem geworden, was ich bin. Aufgrund meiner Vergangenheit war es mir vergönnt, ein seit dem Zeitalter der weisen Magier aus Persien verlorenes Geheimnis wiederzuentdecken. Ein Geheimnis, das nicht einmal der Legionär Titus hat entschlüsseln können. Das Geheimnis des Göttlichen Feuers. Das erzähle ich dir nicht, um mich damit zu brüsten, sondern damit du verstehst, dass man Gottes Plan vertrauen muss.«
Der Pater hob die Arme, öffnete den Mund und schien Laute von sich zu geben, doch Giovanni da San Gimignano konnte sie nicht hören. In seinen Ohren war nur ein dumpfes Dröhnen, und er war vollauf mit dem beschäftigt, was gerade mit seinem Körper geschah. Ihm war, als beherbergte er in seiner Brust ein Lebewesen, das ein Teil von ihm war und zugleich wieder nicht und das nun versuchte, sich einen Weg nach draußen zu bahnen.
Er bemerkte, dass die Luft im Lager sich verdichtet und ein warmer, trockener Wind sich erhoben hatte, der aus keiner bestimmten Richtung kam. Er sah kleine Lichtwirbel um ihn herumtanzen.
Die Atmosphäre war knisternd gespannt, als der Pater die Kerze vom Tisch nahm und sich über ihn beugte. Giovanni hätte am liebsten aufgeschrien, er wollte aufspringen, sich wehren. Aber er konnte es nicht. Unter dem eindringlichen Blick dieser braunen Augen, die aus den Löchern der Kapuze starrten, versagte ihm sein Körper den Dienst. Der Mann hielt ihm die Kerzenflamme vors Gesicht. Seine Stimme drang durch das Tosen in Giovannis Ohren.
»Öffne den Mund, Giovanni«, sagte er feierlich. »Öffne den Mund und gestatte deinem Lebensodem, sich mit dem Gott zu vereinen, den du verraten wolltest und der in seiner Barmherzigkeit bereit ist, dich zu sich zu nehmen.«
Wahnsinnig vor Angst presste Giovanni die Lippen aufeinander. Er versuchte, eine Hand auszustrecken, um die Flamme abzuwehren, aber sein Arm blieb kraftlos in seinem Schoß liegen. Mit der freien Hand hielt der Mann ihm die Nase zu und wartete. Giovanni begriff, dass es sinnlos war, dagegen anzukämpfen. Es gab keinen Ausweg. Dennoch versuchte er bis zum letzten Moment, sich zu wehren, sich nicht dem schrecklichen Ende zu ergeben, das ihn erwartete. Er trat um sich, doch der Mann wich nicht zurück, er kam nur noch näher und umklammerte mit seinen eigenen Beinen seine Knie, ohne den Griff um die Nase zu lockern.
Seine Augen leuchteten wie die Flamme der Kerze.
So verharrten sie schweigend einen Augenblick. Dann tat Giovanni so, als würde er sich ergeben. Er öffnete den Mund, doch statt einzuatmen, nutzte er die wenige Luft, die ihm noch in den Lungen verblieben war, um auf die Flamme zu pusten, in dem verzweifelten Bemühen, sie zu löschen.
Doch da geschah etwas vollkommen Widernatürliches. Es passierte blitzschnell, und doch nahm Giovanni da San Gimignano jeden einzelnen Augenblick wahr, als dauerte es eine ganze Stunde. Die Flamme neigte sich zu seinem Mund hin , anstatt sich davon zu entfernen. Der Hauch, den er ausgestoßen hatte, entzündete sich, und eine Feuerzunge fuhr ihm bis hinab in den Magen.
Er stieß einen unterdrückten Schrei aus, und mit Grauen beobachtete er, wie die Haut an seinen Armen und Händen sich blähte und zu brutzeln begann wie Speck, der in der Pfanne ausgelassen wurde, während der Pater auf das offene Fenster zuging, ohne sich noch einmal nach ihm umzuwenden.
Mit letzter Kraft streckte Giovanni die linke Hand zur Seite und betete inbrünstig, dass das Feuer sie verschonen möge. Dann stiegen aus seinem ganzen Leib bläuliche Flammen auf, und seine Kutte verschmolz mit seinem Fleisch, während sie langsam verbrannte.
Doch er sah nichts mehr.
SECHS
G erardo lief mit Masino an der Hand zwischen den Ständen der Seidenhändler auf dem Markt an der Porta Ravegnana umher und schaute sich suchend um. Glücklicherweise hatte es am
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