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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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Junge hat ihn nicht gefunden und ist auf die Dachterrasse oben auf dem dritten Stockwerk gestiegen, um ihn zu suchen.« Der Mann verzog seine schmalen Lippen zu einem Grinsen, als würde er gleich eine unterhaltsame Anekdote erzählen. »Kaum bemerkte ihn der Herr, hat er ihn mit Tritten in den Hintern davongejagt und Worte geschrien, die ein vornehmer Herr nicht einmal kennen dürfte.«
    »Ja und?«, fragte Gerardo.
    Das gerissene Fuchsgesicht wirkte jetzt verwirrt. Doch dann tauchte aus den Nebeln des Weins noch eine Erinnerung auf. »Ach so. Ich wollte sagen, bevor der Lehrling wieder die Treppe hinabrannte, hatte er einen Weingarten bemerkt. Einen Weingarten, versteht Ihr?«, wiederholte er, verwundert, dass niemand lachte. »Bei all dem guten Boden, den es hier gibt, machte der seinen Wein auf der Terrasse.« Er schüttelte erheitert den Kopf. »Je reicher die Leute sind, desto verrückter sind sie«, schloss er.
    »Das ist alles, was Ihr uns sagen könnt?«, fragte Gerardo ungläubig. Sein Warten war umsonst gewesen.
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »Ja, schon. Eines Abends saßen wir eben gemeinsam beim Wein, und da hat er mir von den Weinreben auf der Terrasse und von dem Lehrling, der mit Fußtritten davongejagt wurde, erzählt. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen, bis er dann im Kanal wieder aufgetaucht ist. Also wenn Ihr mich nicht mehr braucht …«
    »Hast du uns wirklich alles gesagt, was du weißt?«, fragte Michele da Castenaso.
    »Alles. Ich habe den Mann nicht sehr gut gekannt.«
    »Dann kannst du gehen. Danke für deine Hilfe. Die Zunft wird dir den Lohn für den halben Arbeitstag ersetzen, den du durch dein Kommen verloren hast.«
    Auf dem schmalen Gesicht des Mannes erschien ein breites Lächeln, das seine kaputten Zähne sehen ließ. »Danke, Exzellenz. Immer zu Euren Diensten.«
    Er deutete allen dreien gegenüber eine Verbeugung an, und gleich darauf hatte er den Raum verlassen.
    »Zieht keine voreiligen Schlüsse«, sagte Michele da Castenaso, kaum dass sie allein waren. »Was der Mann erzählt hat, interessiert uns ebenfalls sehr, und wir werden versuchen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen.«
    Vom Zeichentisch hörte man ein verzweifeltes Seufzen. Der Sarazene beugte sich mit schmerzlich verzerrtem Gesicht über sein Blatt.
    »Wie kommst du voran mit der Zeichnung?«, fragte Michele da Castenaso.
    Abdul verdrehte die Augen. »Nicht gut, Meister«, antwortete er entmutigt. »Ich muss einen Fehler beim Ansetzen der Dreiecke gemacht haben. Wenn ich die Regeln kennen würde, um die Berechnungen allein anstellen zu können …«
    »Eines Tages wird es so weit sein. Doch im Augenblick musst du dich damit begnügen, die Ergebnisse, die ich dir diktiert habe, auf der Zeichnung abzubilden. Und achte genau darauf, dass du keinen Fehler machst, sonst wird der Druck der Seitenmauern den Bogen zum Einsturz bringen.«
    Abdul ließ den Kopf hängen, drehte das hölzerne Winkeldreieck auf dem Papier und markierte mit der Kohle zwei Punkte. Er musterte sie einen Augenblick lang und verband sie dann mit einer Linie, was ein unangenehmes schabendes Geräusch auf dem Papier erzeugte.
    »Es gibt immer den rechten Moment, um ein Geheimnis zu offenbaren«, erklärte Michele Gerardo. »Und ein tüchtiger Lehrmeister, der sein Brot zu Recht verdient, muss diesen Zeitpunkt abwarten können, auch wenn er dem am liebsten vorgreifen würde, um einen begabten Schüler zufriedenzustellen.«
    »Verstehe«, sagte Gerardo nur.
    Doch in Wahrheit konnte er keineswegs verstehen, warum man den armen Abdul wie einen Dummkopf behandeln musste, selbst wenn er dem Laster des Spiels anhing, und noch weniger begriff er die Bewunderung, die der Sarazene stets für den alten Mann zeigte. Doch im Moment war ihm nur an einem gelegen, nämlich unverzüglich diesen Raum zu verlassen.
    Bevor er sich verabschieden konnte, drehte Michele da Castenaso sich ihm im Dreiviertelprofil zu. »Die Zunft der Maurer ist bereit, alles zu tun, damit ihre Mitglieder Gerechtigkeit erfahren, zu Lebzeiten wie im Tode.« Er fuhr sich mit der knochigen Hand durch die weißen Haare. »Sollte eine Möglichkeit bestehen, den Mörder des Meisters und seiner Lehrlinge zu entdecken, wäre es auch in unserem Interesse, mit Euch zusammenzuarbeiten.«
    »Was dieser Mann gesagt hat, war zu unbestimmt«, erwiderte Gerardo.
    »Vielleicht können uns seine Nachbarn ja mehr sagen. Sie haben die ermordeten Männer ebenfalls gekannt. Würdet Ihr gern mit ihnen

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