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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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Kanal werfen, doch es gelang ihm, sich zu beherrschen. »Jetzt hör du mir einmal zu, Vetter«, sagte er und wurde leise, damit die Arbeiter ihn nicht hören konnten, dafür legte er all seinen Zorn in die Stimme, den er bis jetzt zurückgehalten hatte. »Wenn du noch einmal mit mir redest, als wäre ich schwachsinnig, sorge ich dafür, dass du es bereust. Sag mir, ob du das begriffen hast.« Fedrigo nickte mit schreckgeweiteten Augen, und Azzone fuhr fort: »Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß. Alles, verstanden? Falls es Dinge gibt, die mein Vater und der Mönch, den man im Salzmagazin gefunden hat, gemein hatten, so wird der Capitano del Popolo schon dafür sorgen, dass sie ans Licht kommen. Es kümmert mich nicht, wie der alte Mann gestorben ist, ob ihn ein menschliches Wesen oder der Teufel höchstpersönlich getötet hat. Ich will nur den Leichnam meines Vaters wiederhaben, um ihn zu begraben. Mondino de’ Liuzzi hat ihn verschwinden lassen, und das soll er bitter bereuen. Deswegen habe ich dich beauftragt und aus keinem anderen Grund. Ist das klar?«
    Bevor Fedrigo in der Lage war zu antworten, hörte man einen dumpfen Schlag und darauf einen Schrei: »Haltet das Rad an!«
    Kreischend und mit einem weiteren Knall hielt das Rad an, jedoch zu spät. Paolo il Tosco war schon zwischen den Schaufeln und dem großen Zahnradgetriebe eingeklemmt, das die Kraft an die Spinnmaschine übertrug. Der Mann lebte, das bewiesen seine erstickten Schmerzenslaute, aber der unnatürlich abgewinkelte Kopf ließ das Schlimmste befürchten.
    Azzone ließ Fedrigo stehen und trat an das Kanalufer, während zwei Arbeiter die Pfähle mit ihren Händen so weit wegdrückten, dass man Paolos Körper aus dem Getriebe hätte befreien können. Aber es war niemand da, der diese Aufgabe übernehmen konnte. In diesem Augenblick kamen Frauen und Kinder aus der Manufaktur, angelockt von den Schreien, aber es war völlig undenkbar, sie damit zu beauftragen. Azzone überlegte in aller Eile, wie man das Problem am besten löste, und als sein Vetter ihn rief, war er zunächst starr vor Erstaunen. Fedrigo war über die Brüstung des Kanals geklettert und stand nun auf einem Vorsprung, von dem aus er sich der Stelle nähern konnte, wo Paolo il Tosco eingeklemmt war, und er rief Azzone, weil er Hilfe brauchte.
    Azzone starrte den Vetter an, wie er dort kauerte, das lange schwarze Gewand bis zur Taille hochgeschoben, sodass jeder seine leinenen Unterhosen sehen konnte, und musste grinsen. Der Gedanke, dass er seine neuen Beinlinge beschmutzen sollte, um diesem Tölpel von einem Zimmermann zu helfen, bereitete ihm beinahe körperliche Schmerzen, doch jetzt kam er nicht mehr umhin, etwas zu unternehmen. Neben den beiden Arbeitern waren er und Fedrigo die einzigen Männer dort, abgesehen von den Aufsehern der Manufaktur, die aber alle alt waren. Diese unangenehme Aufgabe fiel also ihnen zu.
    Nachdem er sich einmal entschieden hatte, reagierte er schnell. Flink kletterte er über die Brüstung, stieg auf den horizontalen Pfahl, der die Bewegung der Schaufeln auf das Zahnrad übertrug, und erreichte Paolo von oben.
    »Drückt!«, schrie er den Arbeitern zu. »Jetzt!«
    Die beiden, die bis zur Brust im Wasser standen, drückten mit größter Anstrengung, und das Rad bewegte sich einen halben Fuß nach oben. Genau der Platz, der gebraucht wurde.
    »Nimm ihn an den Beinen«, sagte er zu Fedrigo. »Ich drücke von oben.«
    Mit wenigen Bewegungen zogen sie ihn heraus, während Paolo vor Schmerz schrie. Die Arbeiter ließen das Rad los und kamen durch den Kanal platschend zu ihnen, und zu viert gelang es ihnen schließlich, den Zimmermann über die Brüstung zu hieven und ihn auf eine Decke zu legen, die eine der Frauen dort ausgebreitet hatte.
    Paolo il Tosco stieß dumpfe Schmerzenslaute aus, aber er hielt die Kiefer zusammengepresst und konnte nicht sprechen.
    »Er hat sich die Knochen im Hals gebrochen«, sagte Azzone. »Er wird bald sterben.«
    »Jemand ist gerade los, um seine Tochter zu holen«, erklärte ihm Fedrigo. »Sie wohnt hier in der Nähe.«
    Die beiden Arbeiter knieten sich neben die Decke. Eigentlich sollten sie sich eher darum sorgen, dass sie demnächst keine Arbeit mehr haben würden, dachte Azzone bei sich. Er drehte sich zu den Frauen und Kindern um, die sich an der Mauer der Manufaktur zusammendrängten, und sagte, ohne die Stimme zu erheben: »Geht zurück an die Arbeit.« Sie gehorchten sofort, wie üblich, doch Azzone bemerkte mit

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