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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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seinem Ton ließ keinen Zweifel daran, dass Gerardo keine zweite Gelegenheit bekommen würde, wenn er jetzt ging. Vielleicht würde, wenn er wiederkäme, das Erkennungszeichen nicht mehr gelten, und man würde ihm den Zutritt verweigern. Außerdem, so dachte er, würde Clara sicher einige Zeit für ihre Einkäufe benötigen. Hatte man je von einer Frau gehört, die Seide kaufte, ohne erst jeden einzelnen Marktstand besucht zu haben?
    »Ich werde warten«, sagte er deshalb.
    »Ausgezeichnet«, erwiderte Michele und wandte sein Gesicht wieder dem grauen Himmel zu.
    Im Zimmer gab es keine weiteren Stühle oder Schemel, sodass Gerardo mit hinter dem Rücken verschränkten Händen stehen blieb, auf unbestimmte Zeit, die nur durch das Kratzen der Kohle auf dem rauen Papier gefüllt wurde.
    Auf einmal läuteten die Glocken der Kathedrale San Pietro zur Sext, gefolgt von den Glocken der anderen Kirchen. Der Zeitpunkt, zu dem Clara zu Hause sein sollte, war bereits verstrichen.
    Gerardo seufzte erleichtert auf, als sich die Tür öffnete und der Mann mit dem schweren Umhang den Maurer, auf den sie gewartet hatten, hereinführte.
    Der Mann war klein und schlank und hatte ein verschmitztes Gesicht wie ein Fuchs. Er schaute sich um, grüßte Gerardo und Abdul mit einem Kopfnicken und ging dann zu Michele da Castenaso, um sich ehrerbietig tief vor ihm zu verneigen. Der Vorsteher der Zunft berührte sein Haupt beinahe segnend, dann fragte er ihn nach dem Grund seiner Verspätung. Gleich darauf war offensichtlich, dass der Mann betrunken war.
    »Spar dir die Entschuldigungen«, sagte Michele ungehalten, »und erzähl diesem Edelmann, was du weißt.«
    Der Mann wandte sich ein wenig unsicher auf den Beinen an Gerardo. »Es geht um einen meiner Nachbarn«, nuschelte er.
    »Fahrt fort«, forderte Gerardo ihn auf.
    Der Mann nickte und erzählte in einem zwar stockenden, aber korrekten  volgare , dass sein Nachbar ein Baumeister sei, der ihm vor ungefähr drei Jahren bei einem Glas Wein anvertraut hatte, dass er ein unglaublich gutes Geschäft gemacht hatte: Fünfzig Bolognini dafür, ein altes Untergeschoss instand zu setzen.
    »Mit fünfzig Bolognini könnt Ihr ein zweistöckiges Haus von unten bis oben erneuern lassen, versteht Ihr«, erklärte er mit einem schlauen Grinsen. »Aber das ganze Geld hat er dafür bekommen, dass er niemandem erzählte, wo und woran er arbeitete.«
    Gerardo machte ihm ein Zeichen fortzufahren, und der Mann erzählte, dass der Baumeister keinen Monat später zusammen mit seinen beiden Lehrlingen tot in einem Graben gefunden wurde.
    »Und Ihr glaubt, der Auftraggeber hat ihn umgebracht?«, fragte Gerardo.
    Der Maurer nickte bestimmt. »Vielleicht hat er herausbekommen, dass mein Nachbar mir davon erzählt hatte, und hat begriffen, dass er ihm nicht vertrauen konnte«, erklärte er. »Oder vielleicht hatte er schon von Anfang an geplant, ihn aus dem Weg zu räumen. Deshalb hatte er ihm so viel Geld versprochen.«
    »Der Mörder wurde nie gefunden«, sagte Michele da Castenaso. »Dieses Verbrechen könnte in Verbindung mit dem Tempel stehen, nach dem Ihr sucht.«
    Gerardo war nicht sehr überzeugt. »Es könnte auch keine Verbindung bestehen«, sagte er. »So oder so hilft uns die Information wenig, wenn wir nicht wissen, wo sich dieses Haus befindet.«
    »Es ist im Westen«, meldete sich der Maurer wieder zu Wort. »Wir wohnen, ich meine, wir wohnten … Also, ich wohne noch dort, aber er nicht, weil er ja tot ist …«
    »Wo wohnt Ihr denn nun?«, unterbrach ihn Gerardo ungeduldig.
    »In der Nähe der Porta Lame, aber innerhalb der  circla . Als mein Nachbar zu dieser Arbeit ging, wandte er sich immer nach Osten, Richtung Mercato di Mezzo, also muss das Haus im Westen liegen.« Er machte ein etwas verstörtes Gesicht, so als fragte er sich, ob er sich klar genug ausgedrückt hatte, dann fügte er hinzu: »Im Westen von dem Ort aus gesehen, an dem wir uns jetzt befinden, meine ich.«
    Gerardo schüttelte den Kopf. So war er genauso schlau wie vorher.  Circla  wurde im Volksmund der provisorische Befestigungsring aus Holz genannt, der zurzeit die dritte Stadtmauer Bolognas bildete. Bei solchen Entfernungen waren die Angaben »östlich«, »westlich« oder »südlich« ohne weitere Hinweise zu ungenau.
    »Habt Ihr noch etwas?«, fragte er.
    »Ja«, erwiderte der Mann. »Eines Tages hat mein Nachbar, während er dort arbeitete, einen seiner Lehrlinge mit einer Frage zu seinem Auftraggeber geschickt. Der

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