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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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stellte Fragen, denn alle wussten, wohin der Capitano del Popolo in Begleitung eines Arztes unterwegs war. Schon seit dem frühen Morgen hatte in der Stadt die Nachricht die Runde gemacht, man habe Pater Giovanni da San Gimignanos Leiche gefunden, der bei lebendigem Leibe verbrannt sei, ohne dass man in seiner Umgebung nur die kleinste Spur eines Brandes gefunden hätte. Dass die Staatsgewalt sich erst so spät seiner annahm, war dem Umstand geschuldet, dass sich der Capitano del Popolo auf der entgegengesetzten Seite der Stadt in der Pfarrgemeinde San Ruffillo befunden hatte, wo ein Schmied seinen Schwiegervater mit dem Hammer erschlagen hatte und dann in die Maulbeerpflanzungen längs des Savena geflohen war. Der Gemeindediener hatte warten müssen, bis der Capitano mit dem in Ketten gelegten Mörder zurückkam, bevor er ihn von dem Todesfall in Kenntnis setzen konnte. Visdomini hatte sich gleich darauf zu Mondinos Haus begeben, und erst jetzt erreichten sie das Salzmagazin. Sie ließen die Häscher draußen zurück und trugen ihnen auf, die Pferde anzubinden. Dann durchschritten sie das weit offen stehende Tor und befanden sich in einem riesigen Lager. Die Mauern waren beinahe zwei Ellen dick, damit sie dem Gewicht von Tausenden Körben Salz standhielten. Anstelle des toten Mönches leiteten jetzt zwei Notare des Salzamtes das Zählen und Wiegen der Säcke. Sie trugen Gewänder aus feiner Wolle, und ihren Pelzmänteln sah man an, dass sie mehrere Jahreslöhne eines Arbeiters gekostet hatten.
    Visdomini ging zu ihnen und begrüßte sie ehrerbietig. Er erwähnte nicht einmal den Umstand, dass das Magazin eigentlich hätte geschlossen bleiben müssen, bis er alles untersucht hatte, sondern stellte Mondino vor und ließ sich den Ort zeigen, an dem sich die Leiche befand.
    Sie schritten in dem großen Raum durch Reihen von Arbeitern, die trotz der Kälte barfüßig und barhäuptig waren und unter der Last der Säcke auf ihren Schultern gebeugt gingen, und am anderen Ende des Saales erwartete sie ein Anblick, der dem glich, der sich ihnen neulich in Bertrando Lambertis Haus geboten hatte. Vor einem Berg von einfachem Salz, das noch verstaut werden musste, stand ein Tisch mit einer geöffneten Schreibkassette darauf. Auf dem Boden hinter dem Tisch lagen neben einem umgeworfenen Schemel die sterblichen Überreste von Giovanni da San Gimignano. Ein verkohlter Schädel, wenige vom Feuer gelblich verfärbte Knochen, die an einigen Stellen noch von den Rändern der Kutte bedeckt waren, ein Häuflein Asche und beinahe unversehrte Füße.
    Die linke Hand des Toten lag einen halben Schritt weit entfernt, das Feuer hatte sie auf der Höhe des Handgelenkes abgetrennt.
    »Er wurde auf die gleiche Weise getötet wie Bertrando«, erklärte Mondino. »Also kann man annehmen, dass es sich um den gleichen Mörder handelt.«
    »Seid Ihr immer noch überzeugt, dass es ein Mensch war, der die beiden getötet hat?«, fragte der Capitano.
    »Bis zum Beweis des Gegenteils schon«, erwiderte der Arzt. »Ich weiß nicht, was hier geschehen ist, aber eine übernatürliche Erklärung einfach so anzunehmen, ohne auch nur andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, ist eine Beleidigung für die Wissenschaft.«
    »Ihr habt doch Bertrando Lambertis Leiche untersucht und keine sicheren Beweise dafür gefunden, dass er ermordet wurde.«
    In diesem Moment wurde es hinter ihnen laut. Als er sich umdrehte, sah Mondino, dass ein Arbeiter unter dem Gewicht eines Sackes zusammengebrochen war und einige seiner Gefährten versuchten, ihn wieder aufzurichten. Er lief zu ihnen, und als sie den roten Talar der Ärzte bemerkten, senkten sich verblüfftes Schweigen und erwartungsvolle Stille über den Raum. Niemand hätte damit gerechnet, dass der Arzt im Gefolge des Capitano del Popolo sich wegen eines einfachen Arbeiters Umstände machte, aber jetzt, da er es getan hatte, warteten alle gespannt ab, was weiter passieren würde.
    Noch bevor er sich über den am Boden liegenden Mann beugte, hatte Mondino den Grund für dessen Zusammenbruch erkannt. Das eingefallene Gesicht, die dünnen Arme und der rachitische Oberkörper ließen nur einen Schluss zu: Unterernährung. Dieser Mann war einer von den vielen, die die Folgen der sommerlichen Dürre und des unverhältnismäßig hohen Anstiegs der Getreidepreise am eigenen Leib erfuhren. Für die Wohlhabenden bedeutete die Dürre nur höhere Ausgaben, für die Ärmeren hieß sie Hungersnot.
    Mondino öffnete seine

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