Die Bruderschaft des Feuers
fernzuhalten. Ich muss Euch wohl nicht erklären, was sie bedeuten?«
Mondino nickte langsam. »Das Christusmonogramm«, sagte er.
Ein altes christliches Symbol, das sich aus den griechischen Buchstaben chi und rho zusammensetzte, den ersten beiden Buchstaben des Namen christos . Heute wurde es kaum noch benutzt, aber früher fand man es überall, und es wurde häufig als Siegelzeichen sowohl von der päpstlichen als auch von der kaiserlichen Kanzlei verwendet. Doch die Zeichen darum herum ergaben keinen Sinn, zumindest nicht für ihn.
»Was denkt Ihr über die punktförmigen Verletzungen auf den Fingergliedern?«, fragte er den Capitano.
Visdomini zuckte mit den Schultern. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Vielleicht handelt es sich bei diesen Zeichen um eine Beschwörungsformel, die das Böse fernhalten soll.«
»Eine Beschwörungsformel? Warum glaubt Ihr das?«
Der Capitano drehte sich um und richtete seinen Blick auf die Mitte des Lagers, wo zwei Notare weiterhin damit beschäftigt waren, die Arbeiter anzuweisen und alles auf ihren Wachstafeln zu vermerken. »Unter Soldaten sind solche Beschwörungsformeln weitverbreitet«, sagte er dann. »Sie lassen sie sich an allen Körperteilen eintätowieren.«
»Und wirken sie?«, fragte Mondino, neugierig geworden.
»Das weiß ich nicht. Aber sie glauben daran. Vielleicht hat Pater Giovanni in höchster Todesnot alles versucht, um der ewigen Verdammnis zu entgehen.«
Dies war eine glaubhafte Erklärung. Ein Benediktinermönch hätte zwar eher beten sollen, als Zuflucht bei der Magie zu suchen, aber angesichts des Todes verhielten Menschen sich oft sehr merkwürdig. In seiner Funktion als Arzt hatte Mondino schon viel gesehen.
»Sind die Wächter befragt worden?«, fragte er.
»Dafür hat ein Magistrat der Stadt schon vor Eurer Ankunft Sorge getragen. Er hat mir Bericht erstattet, bevor ich zu Euch eilte. Es gibt zwei Wächter, Vater und Sohn. Tagsüber arbeiten sie mit den anderen, und nachts schlafen sie in einem kleinen Raum in der Nähe des Haupteingangs, nachdem sie Türen und Fenster von innen verriegelt haben.«
Mondinos Augen wanderten sofort zu einem Fenster, das etwa ein Dutzend Schritte von der Leiche entfernt war. »Stand dieses Fenster heute Morgen offen?«, fragte er.
»Soweit ich weiß«, antwortete Visdomini, »war es bereits geöffnet, als die Leiche gefunden wurde.«
»Das sollten wir uns einmal ansehen«, sagte Mondino. Er machte einen Schritt vorwärts, dann drehte er sich noch einmal um. »Haben die Wächter etwas gehört oder gesehen?«
»Mit Verlaub, Magister, Ihr seid einzig und allein hier, um ein Urteil darüber abzugeben, wie dieser Mann gestorben ist. Für die Untersuchung des Falles bin ich zuständig.«
»Es ist nur so«, erklärte Mondino und sah ihm fest in die Augen, »dass ich nicht weiß, was ich glauben soll. Was auch immer die beiden Wächter gehört oder gesehen haben, es könnte mir helfen.«
Visdomini fuhr mit einer Hand über seine Kappe, dann strich er sich über sein kantiges Kinn, eine Geste, die er ziemlich oft machte. Plötzlich nickte er. »Nun gut. Die beiden Wächter haben gesagt, sie hätten einen langgezogenen Ton gehört, etwas, das zwischen einem Gesang und einem Klagelaut lag. Dann wäre unter der Tür ein warmer Wind hindurchgefahren, und sie hätten das Bewusstsein verloren. Als sie wieder aufwachten, fürchteten sie sich zu sehr, um das Zimmer zu verlassen, und haben gewartet, bis es hell wurde. Erst dann haben sie es gewagt, die Tür ihres Kämmerchens zu öffnen, und schließlich die Leiche von Pater Giovanni im Lager entdeckt. Jetzt halten sie sich in der Kirche hier in der Nähe auf, um zu beten und Buße zu tun. Sie sind überzeugt, das Feuer der Hölle habe sie gestreift.«
»Mehr gibt es nicht zu berichten?«
Der Capitano schüttelte den Kopf. »Das ist alles.«
Mondino sah sich um. Die Arbeit war nicht unterbrochen worden, und im Magazin hörte man dumpfe Laute und Stimmen. »Ich glaube langsam, dass Ihr recht habt«, sagte er schließlich. »Alles scheint darauf hinzuweisen, dass hier wirklich der Teufel seine Hand im Spiel hat.«
»Besser spät als nie«, erwiderte Visdomini. »Ich habe es schon dem Podestà gesagt, aber er besteht darauf, Eure Meinung zu hören. Ich werde Anordnung geben, dass man die Leiche wegbringt, und den Notaren des Salzamtes sagen, dass sie den normalen Betrieb wieder aufnehmen können.«
Anscheinend interessierte den Capitano nur die Rückkehr
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