Die Bruderschaft des Feuers
Wand. Außerdem ist da noch Bertrando Lambertis Tätowierung.«
»Die Ihr mir nicht zeigen konntet, weil Euch die Leiche geraubt wurde.«
»Genau. Aber ich habe eine Abbildung davon. Wenn Ihr mich heute nicht wegen dieses Verbrechens aufgesucht hättet, wäre ich zu Euch gekommen, um sie Euch zu zeigen.«
Mondino fuhr mit einer Hand in die Brusttasche seines Gewandes und holte eine Kopie von Samueles Zeichnung hervor, die er sorgfältig zusammengerollt hatte.
»Warum habt Ihr mir nicht gleich gesagt, dass Ihr die Tätowierung abgezeichnet habt?«, fragte der Capitano.
»Weil dies nicht das Abbild der Tätowierung ist. Diese Zeichnung stammt ursprünglich von einem jungen Franziskanermönch, der sie nach einem goldenen Anhänger angefertigt und dann Gerardo da Castelbretone übergeben hat, dem Mann, den ich vor einigen Tagen zu Euch geschickt habe.«
»Erzählt mir alles«, befahl Visdomini ernst.
Mondino unterrichtete ihn nun über alles, was er von Gerardo gehört hatte. Er berichtete von dem Mönch, der ins Pratelloviertel gegangen war, von den Dirnen und von dem goldenen Anhänger, den Pater Venanzios Mörder verloren hatte. Er wusste, dass er dadurch dem jungen Franziskaner ein paar Schwierigkeiten bereiten würde, aber eine Bestrafung dafür, dass er sich unerlaubt aus dem Kloster entfernt hatte, erschien ihm völlig bedeutungslos angesichts einer zweiten verbrannten Leiche. Zwischen diesen Morden und Pater Venanzios Tod bestand ein Zusammenhang, und der Capitano del Popolo musste darüber unterrichtet werden.
»Ich werde den Mönch befragen und mir erklären lassen, wo ich diese Dirnen finde«, sagte Visdomini schließlich nachdenklich. »Der goldene Anhänger, den der Mörder verloren hat, könnte für die Lösung dieses Rätsels sehr wichtig sein.«
Mondino dachte, dass er ihn wohl falsch eingeschätzt hatte. Was er ihm jetzt berichtet hatte, schien ihm wirklich etwas zu bedeuten. Das brachte Mondino dazu, dem Capitano del Popolo auch jenes Geheimnis zu enthüllen, das man Pater Venanzio in der Beichte anvertraut hatte, nämlich dass die Stadt von einem Brand bedroht war.
»Jetzt scheint Ihr mir aber zu übertreiben«, sagte der Capitano darauf. »Klare Indizien wie die, die Ihr gerade genannt habt, sind eine Sache. Ein goldener Anhänger, jemand, der ihn mit eigenen Augen gesehen und abgezeichnet hat … Doch die Fantastereien eines jämmerlichen kleinen Mönchs, mit denen er seine Erzählung interessanter machen wollte, stehen auf einem anderen Blatt.«
»Ich begreife ja, dass man diese Erzählung für eine Lüge halten könnte«, entgegnete Mondino. »Und dennoch …«
»Ich bin Bruder Samuele schon begegnet«, unterbrach ihn Visdomini. »Er war dem Toten besonders zugetan, und ich hatte den Eindruck, dass er bis zum Äußersten gehen würde, um seinen Tod aufzuklären. Er muss gedacht haben, wenn er diese Geschichte von dem Brand erzählt, würden sich die Vertreter der öffentlichen Ordnung noch mehr anstrengen.«
Mondino nickte. Anfangs hatte er das Gleiche vermutet. Doch angesichts eines zweiten Toten, der bei lebendigem Leibe verbrannt war, war er zu der Überzeugung gelangt, dass alles, was mit Feuer und Brand zu tun hatte, ernst genommen werden musste, besonders seitens von Leuten wie dem Capitano del Popolo, deren Aufgabe es war, über die Sicherheit der Stadt zu wachen.
»Also werdet Ihr nichts unternehmen?«, fragte er.
Visdomini zuckte die Achseln. »Ich werde es dem Podestà berichten, dann sehen wir weiter. Aber wie ich Euch schon gesagt habe, für die Ermittlungen bin ich zuständig.«
Gabardino erhob sich von dem Schreibpult, das er in seinem Zimmer aufgestellt hatte oder vielmehr im Zimmer seiner Großeltern, das jetzt ihm gehörte. Es war der größte private Raum im ganzen Haus, zu groß für einen einzelnen Menschen, hatte ihm sein Vater einmal gesagt und damit zu verstehen gegeben, dass er so viel Platz nicht verdient hatte. Dann hatte er sich hastig berichtigt und erklärt, er habe damit nur gemeint, es sei Zeit, dass Gabardino sich eine Frau suche, aber damit hatte er es noch schlimmer gemacht.
Der junge Mann begriff nicht, warum Mondino ihm ständig Ratschläge für sein Leben gab, gerade er, der keine Einmischung in seine eigenen Angelegenheiten vertrug und trotz seines Rufes als angesehener Arzt nicht gerade ein gutes Beispiel abgab. Während er das Zimmer durchquerte und dabei den einen Balken im Fußboden vermied, dessen Knarren ihm stets Gänsehaut verursachte,
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