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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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dachte er über die Unverschämtheit nach, dass sein Vater sich mit seiner Geliebten in der Arzneimittelhandlung der Familie verabredet hatte, und schüttelte angewidert den Kopf. Dann rissen ihn erregte Stimmen aus dem Erdgeschoss aus diesen bitteren Gedanken, und er lief eilig hinunter, um herauszufinden, was dort geschah.
    Im großen Zimmer empfing ihn ein unerwarteter Anblick. Ein schnurrbärtiger Mann lag auf dem Tisch, über ihn war eine Wolldecke gebreitet. Und um ihn herum standen ein Mädchen von fünfzehn oder sechzehn Jahren und zwei Edelmänner. Einer von ihnen war ganz in Schwarz gekleidet, und der andere, ein Mann mit blonden Haaren, trug prächtige Gewänder. Lorenza stand unentschlossen zwischen dem Tisch und dem Flur, als wüsste sie nicht recht, ob sie die Gäste allein lassen und sofort seinen Vater benachrichtigen sollte. Als sie ihn entdeckte, machte sich auf ihrem Gesicht Erleichterung breit. Doch bevor sie ihm den Grund für den ungewohnten Aufruhr mitteilen konnte, ergriff der blonde Edelmann das Wort.
    »Mein Name ist Azzone Lamberti«, stellte er sich mit einer knappen Verbeugung vor. »Mein Zimmermann hat einen schweren Unfall erlitten, und wir haben ihn hierhergebracht, weil nur Euer Vater in der Lage sein könnte, ihn zu heilen. Ist er zu Hause?«
    »Mein Vater ist nicht da«, erwiderte Gabardino. »Warum seid Ihr nicht in die Medizinschule gegangen?«
    »Dort ist er auch nicht«, sagte der Mann in Schwarz. »Wisst Ihr nicht, wann er zurück sein wird?«
    Gabardino schüttelte den Kopf. »Mein Vater sagt mir nicht, wohin er geht und was er tut«, sagte er hart. »Ihr solltet diesen armen Mann lieber zu einem anderen Arzt bringen.«
    Da trat das Mädchen einen Schritt vor und zog sich damit einen missbilligenden Blick von Azzone Lamberti zu.
    »Mein Vater hat sich die Knochen im Hals gebrochen«, sagte sie, und man sah ihr deutlich an, dass sie mühsam die Tränen unterdrückte. »Er hat schon viel Schmerzen erdulden müssen, als wir ihn hierhergebracht haben. Wenn wir ihn noch einmal fortbewegen, wird er sterben.«
    Gabardino sah sich den Mann auf dem Tisch an. Er war bleich, die Augen waren geschlossen und die Lippen unter dem dichten Schnurrbart zusammengepresst. Er schien ohnmächtig zu sein. »Ich kann ihm etwas geben, um seine Schmerzen zu lindern«, bot er an. »Aber dazu muss ich in unsere Arzneimittelhandlung gehen, im Viertel Santa Maria dell’Aurora.«
    »Wir wären Euch dankbar dafür«, sagte der Mann in Schwarz. »Wir werden hier auf Eure Rückkehr warten, in der Hoffnung, dass inzwischen auch Euer Vater eintrifft.«
    »Danke«, flüsterte das Mädchen, senkte den Kopf und ließ endlich den Tränen freien Lauf.
    Gabardino wies Lorenza an, eine weitere Decke für den Zimmermann zu holen, und sagte den Gästen, sie sollten es sich auf den Stühlen um den Kamin bequem machen. Als er dann das Haus verlassen wollte, klopfte es wieder an der Tür zur Straße. Er rief Pietro, der im Garten arbeitete, zu, er möge öffnen, und bereitete sich darauf vor, gleich Mondino entgegenzutreten, denn das musste er sein.
    Man hörte zwei Männerstimmen, doch keine davon schien seinem Vater zu gehören. Kurz darauf führte Pietro zwei junge, wie Seminaristen gekleidete Männer herein, der eine war blond, der andere rothaarig mit Tonsur. Sie trugen einfache Tuniken aus dunkler Wolle und darüber zwei Cotten, um sich gegen die Kälte zu schützen.
    »Erst sagt er, wir sollen zu ihm nach Hause kommen, und dann ist er nicht da«, knurrte der Rothaarige verärgert. »Wie lange sollen wir denn auf ihn warten?«
    »Beruhige dich, Andolfo«, sagte der andere gelassen. »Es wird einen Grund dafür geben. Sieh mal, da ist eine Leiche. Vielleicht wollte der Magister uns zeigen, wie man eine Sektion vornimmt.«
    Bei diesen Worten drehten sich alle Anwesenden zu ihnen hin und sahen sie voller Verachtung an, sogar Lorenza, die mit einer Wolldecke in den Raum zurückgekehrt war. Den jungen Mann kümmerte das nicht, lächelnd stellte er sich vor: »Ich bin Odofredo Dassel, und dies ist Messer Andolfo da Cork, wir sind beide Studenten Mondinos und werden bald unsere Doktorenprüfung ablegen. Wer ist der Tote?«
    »Mein Vater ist nicht tot!«, schrie da das Mädchen auf. »Er ist schwer verletzt und braucht einen Arzt.«
    Gabardino entschied, dass keine Zeit zu verlieren war. Wenn Mondinos Studenten schon gekommen waren, würde sein Vater auch bald da sein und ihm bestimmt wieder irgendeinen dummen Auftrag

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