Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
Vom Netzwerk:
Luft wie damals als kleiner Junge, wenn er im Savena tauchte, und diesmal hielt er Paolo mit zwei Fingern die Nase zu, bevor er den Atem in seinen Mund blies.
    Diesmal sah er, wie dessen Brustkorb sich hob, und begriff, dass die Luft diesmal die richtige Stelle erreicht hatte. Diesen Vorgang wiederholte er noch einige Male, bis er das Gefühl hatte, etwas zu merken, ein leichtes Zittern, das jeden Augenblick wieder vergehen konnte, wenn man es nicht unterstützte. Er atmete wieder ein und blies noch einmal Luft in die Lungen von Paolo il Tosco, ein, zwei, drei Mal, und plötzlich merkte er, dass der Zimmermann wieder von selbst atmete.
    Im gleichen Augenblick hörte er hinter sich Odofredo entrüstet rufen: »Magister! Was tut Ihr da? Küsst Ihr etwa einen Sterbenden?«
    »Er bläst ihm den Teufel in den Leib!«, schrie Andolfo. »Das ist Hexenwerk!«

ACHT
    W egen der Kälte hatte Gerardo an diesem Morgen anstatt der besohlten Beinlinge seine schweren Stiefel angezogen, dennoch war er der Einzige, der ohne Mantel und Kopfbedeckung unterwegs war. Ein Schneesturm, der Dienstagnacht angefangen und sich dann den ganzen nächsten Tag fortgesetzt hatte, hatte die Menschen in ihre Häuser getrieben und die Stadt mit einer mindestens drei Fuß dicken Schneedecke überzogen. Der »Notaio del fango«, der »Schlammnotar«, wie der Amtmann, der die Leitung über die städtische Abfallbeseitigung und Überwachung der Wasserqualität innehatte, im Volksmund genannt wurde, hatte seine Männer geschickt, doch es hatte Stunden gedauert, bis diese gemeinsam mit Gruppen von Bürgern die Straßen geräumt hatten.
    Inzwischen hatte sich die Nachricht vom Tode des Giovanni da San Gimignano in Bologna verbreitet. Diesmal hatte kein Tuch barmherzig die Überreste verdeckt, und alle hatten den verkohlten Leichnam gesehen, bevor der Capitano del Popolo ihn mit Mondinos Unterstützung fortbringen ließ.
    Aus den Beschreibungen, die er gehört hatte, hatte Gerardo den Eindruck gewonnen, dass der Mönch aus dem Salzmagazin auf die gleiche Art gestorben war wie Bertrando Lamberti. Und dennoch hatte er sich bisher nicht dazu durchringen können, das Waisenhaus zu verlassen, um zu Mondino zu gehen, und daran war bestimmt nicht der Zustand der Straßen schuld.
    Die Menschen stapften in ihre Mäntel gehüllt vorwärts wie dunkle Schatten vor dem Weiß des Schnees und dem düsteren Grau des Himmels. Stimmen und Schritte klangen gedämpft, und die Stadt wirkte ohne den üblichen Geräuschteppich völlig verändert. Er blieb hinter zwei großen Schneehaufen am Straßenrand am Ausgang einer Gasse stehen, um einen Edelmann auf seinem Pferd vorbeizulassen, der von drei Männern zu Fuß begleitet wurde. Das Pferd schnaubte kleine Dampfwölkchen aus den Nüstern und zitterte trotz der wollenen Schabracke, die ihm bis zum Brustkorb reichte. Aus irgendeinem Grund erinnerten ihn die großen, traurig blickenden Augen des Tieres an Masino.
    Seinetwegen war er gestern im Kloster geblieben: Er hatte sich nicht getraut, ihn allein zu lassen. Nach dem Entschluss der Schwester, ihn nicht mehr wiederzusehen, war der Junge in eine düstere Traurigkeit versunken, die den jungen Mann beunruhigte. Der Knabe nahm am Katechismusunterricht teil und verrichtete seine Pflichten, aber es wirkte, als sei nur sein Körper anwesend.
    Gerardo fürchtete für seine Gesundheit. Als Medizinstudent hatte er gelernt, dass Melancholie, die durch einen Überschuss von schwarzer Galle hervorgerufen wurde, eine tückische Krankheit war, die zu extremen Handlungen verleiten und in schlimmen Fällen sogar zum Tode führen konnte. In der schlechten Jahreszeit stieg die Gefahr, weil die »schwarze Stimmung«, wie diese Krankheit auch genannt wurde, mit kalten Temperaturen zusammenhing.
    Er hatte den Bruder Apotheker um Rat gefragt, doch der Mönch hatte Hildegard von Bingen zitiert, die behauptete, der  morbus melancholicus  sei ein Bestandteil der menschlichen Natur, bedingt durch die Ursünde Adam und Evas, und würde zur Krankheit, sooft ein Christ in Sünde fiel. Deshalb sei Beten das beste Heilmittel, und mehr brauche man nicht zu tun.
    Erst als Gerardo ihm Geld angeboten hatte, um die Arzneivorräte des Klosters aufzufüllen, hatte er ihm schließlich ein wenig Johanniskraut gegeben, das er dem Jungen als Tee verabreichen sollte, zusammen mit Engelwurz, um den Schlaf zu fördern.
    Heute Morgen nach dem Frühstück hatte Gerardo ihm schon eine doppelte Menge verabreicht und ihn von der

Weitere Kostenlose Bücher