Die Bruderschaft des Feuers
Pflicht des Putzens befreien lassen, weil er momentan krank sei. Dann war er bei ihm im Schlafsaal geblieben, bis Masino eingeschlafen war. Erst dann hatte er sich dazu durchringen können, das Kloster zu verlassen.
Bei Mondino erwartete ihn eine Überraschung. Kaum hatte er dessen Haus betreten, eilte der Arzt ihm entgegen und begleitete ihn wieder hinaus. Dabei erklärte er ihm flüsternd, dass er ein ernstes Problem lösen müsse, ohne jedoch genauer zu erklären, worum es sich handelte. Gerardo blieb gerade noch die Zeit, ihm von seiner Begegnung mit Michele da Castenaso zu berichten und ihm zu sagen, dass er sich für den heutigen Nachmittag mit Abdul an der Porta Lame verabredet habe, als er sich plötzlich auf der Straße wiederfand, ohne dass viel Zeit für weitere Fragen blieb.
»Möchtet Ihr, dass ich etwas wegen des Mordes im Salzmagazin unternehme?«, fragte er deshalb schnell.
»Du könntest zu Pater Benedetto, dem Prior von Sant’ Antonino, gehen und mit ihm reden«, antwortete Mondino. »Der ermordete Mönch gehörte seiner Kirche an.«
»Ausgezeichnet, ich werde sofort dorthin gehen. Mir bleibt noch etwas Zeit, bevor ich ins Waisenhaus zurückkehre.«
»Eigentlich wollte ich selbst gehen, aber eine Pflicht bindet mich ans Haus«, erklärte Mondino. »Entschuldige mich beim Prior und sage ihm, dass ich ihn nicht vergessen habe. Ich werde ihn so bald wie möglich untersuchen.«
Er verabschiedete sich in aller Eile von Gerardo und schloss die Eingangstür. Der blieb einen Augenblick stehen und fragte sich, was Mondino denn noch mehr beunruhigen konnte als das Verschwinden von Bertrando Lambertis Leiche, dann entfernte er sich achselzuckend. Wenn es im Zusammenhang mit ihrem Fall stünde, würde ihm Mondino das eben beim nächsten Mal erzählen. Sollte es sich dagegen um ein privates Problem handeln, wollte er es gar nicht wissen. Davon hatte er selbst genug.
Als er an dem Haus vorbeikam, in dem er vor einiger Zeit während seines Medizinunterrichts bei Mondino gewohnt hatte, senkte er den Kopf, um unerkannt zu bleiben. Inzwischen waren die Schäden des Brandes behoben, und die Justiz hatte ihn entlastet, doch die Nachbarn waren immer noch, leider zu Recht, überzeugt, dass er das Feuer gelegt hatte, um der Inquisition zu entkommen.
Die Kirche Sant’Antonino lag nur einen Häuserblock von der Medizinschule entfernt. Er klopfte an die Eingangstür des kleinen, der Kirche angeschlossenen Klosters, nannte dem Bruder Pförtner seinen Namen und erklärte ihm, ohne sich zu sehr mit Einzelheiten aufzuhalten, er arbeite mit Mondino de’ Liuzzi zusammen, der wiederum vom Podestà den Auftrag erhalten hatte, den Capitano del Popolo bei seiner Untersuchung des Todes von Pater Giovanni zu unterstützen.
Der Mönch ließ ihn eintreten und begleitete ihn in das Arbeitszimmer des Priors, einen weiten, beinahe dunklen Raum. Die Läden des einzigen Fensters waren geschlossen, und das graue Morgenlicht bahnte sich nur mühsam einen Weg zwischen den unregelmäßigen Brettern. Das Halbdunkel wurde von zwei Öllampen und einem Glutbecken unter dem Tisch ein wenig aufgehellt. In dem Raum herrschte eine so erdrückende Hitze, dass Gerardo den starken Drang verspürte, sich die Cotte auszuziehen, dem er jedoch widerstand, denn es wäre eine Beleidigung gewesen, wenn er sich vor dem Prior das Kleidungsstück über den Kopf gezogen hätte.
»Ihr seid also Gerardo da Castelbretone, der Mann, der für den Brand letzten April verantwortlich ist«, sagte der Prior und lächelte freundlich. »Endlich begegnen wir uns einmal persönlich.« Seine Stimme klang rau, und er hielt die Füße, die in dicken Wollstrümpfen steckten, sehr nahe an das Glutbecken. So wie er sich gegen die Kälte schützte, nahm Gerardo an, dass er unter einem Fieber litt.
»Vater …«, sagte er errötend.
»Ich weiß, ich weiß, Eure Schuld wurde niemals bewiesen.« Der Prior hob beschwichtigend seine dicklichen Hände. »Und ich will Euch nicht in die Verlegenheit bringen, lügen zu müssen. Wie dem auch sei, der Brand hat keine Menschenleben gefordert und schließlich sogar sein Gutes gehabt.«
»Meint Ihr das ernst?«
»Sicher. Die Kirche Sant’Antonino besitzt den größten Brunnen im Umkreis, und bei der Gelegenheit haben wir allen die Tür geöffnet, sogar den Frauen, um eine Eimerkette zu bilden.« Er räusperte sich und schluckte kurz, um dann fortzufahren: »Die Leute im Viertel haben begriffen, dass die Mönche nicht nur dazu da sind,
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