Die Bruderschaft des Feuers
um den Zehnten einzunehmen, und seitdem hat sich das Verhältnis untereinander deutlich gebessert.«
»Das freut mich«, erklärte Gerardo. Dann fügte er hinzu, froh darüber, das Thema wechseln zu können: »Mondino hat mir aufgetragen, Euch zu sagen, er habe Euch nicht vergessen und werde so bald wie möglich kommen, um Euch zu untersuchen.«
»Das hoffe ich auch«, erwiderte Pater Benedetto wehleidig. »Der Husten quält mich in diesen Tagen ohne Unterlass.«
Gerardo fühlte sich unwohl, und in der ungesunden Hitze, die ihn ein wenig an eine Aufbahrungskammer erinnerte, lief ihm schon der Schweiß. Er sah sich um, und ihm fiel auf, dass im gesamten Raum außer dem Stuhl, auf dem der Mönch hinter dem Tisch aus Pappelholz mit dem Glutbecken darunter saß, kein einziger Stuhl oder Diwan zu sehen war.
»Verzeiht meine Unhöflichkeit«, sagte der Prior, der seinem Blick gefolgt war. »Ich bin sehr beschäftigt, daher ziehe ich es vor, Besuche möglichst kurzzuhalten.«
»Das verstehe ich gut, und ich will Eure Zeit auch nur wenig in Anspruch nehmen. Man wird Euch schon den Grund meines Besuches genannt haben.«
Das Gesicht des Priors wurde ernst. »Es geht um Giovanni da San Gimignano. Dieses Unglück hätte nicht geschehen dürfen.«
»Ein Unglück? Alle bezeichnen es als Mord.«
»Aber natürlich«, sagte der Prior und hob beschwichtigend die Hand, als wollte er so das Missverständnis aus der Welt schaffen. » Vox populi, vox dei , Volkes Stimme ist Gottes Stimme. Der Capitano del Popolo wird schon dafür Sorge tragen, die Wahrheit herauszufinden, ich habe nicht die Absicht, ihm den Posten streitig zu machen. Meine Bemerkung bezog sich darauf, dass der Tod von Pater Giovanni ein Unglück für die Kirche Sant’Antonino ist. Ein Priester, der auf diese Weise umkommt … Das Volk ist unwissend, es wittert rasch Unrat.« Wieder verstummte er und schluckte ein paar Mal leer. »Verzeiht«, sagte er dann.
»Habt Ihr eine Bronchitis?«, erkundigte sich Gerardo.
Pater Benedetto nickte. »Ein chronisches Leiden, das mir hin und wieder einen Fieberanfall beschert. Nichts, weswegen man sich nach Meinung der Ärzte sorgen müsste.« Schicksalsergeben wie ein Märtyrer hob er die Augen zum Himmel. »Ich würde sie gern an meiner Stelle sehen.«
Gerardo trocknete sich mit einem Ärmel die Stirn. Hier drinnen bekam er allmählich keine Luft mehr. »Das tut mir leid. Aber kommen wir wieder zum Thema. Wie werdet Ihr wegen Pater Giovannis Beerdigung verfahren? Ich denke, es wäre besser, möglichst wenig Aufsehen zu erregen …«
»Ich sehe, dass Ihr mich versteht«, sagte der Prior und verzog seine faltigen Wangen zu einem Lächeln. Es war schon beeindruckend, dass auf seinem Gesicht kein einziger Schweißtropfen erschien. »Im Übrigen seid ja auch Ihr ein Mann der Kirche.«
»Das war ich, Vater. Ich habe mein Gelübde nicht erneuert.«
Pater Benedetto machte eine abwehrende Handbewegung, als sei das kaum der Rede wert. »Ihr wisst, in welch schwierigem Umfeld wir uns bewegen«, sagte er. »Die Leute denken, dass Mönche ein leichtes Leben haben. Nur wir wissen, dass dem nicht so ist.«
Das war die reine Wahrheit. Jetzt als Laie konnte Gerardo das besser nachvollziehen als früher, als er noch dem Ideal des Tempelritters nachhing. Schön, die hohen Kirchenherren ließen es sich tatsächlich nach Belieben wohlergehen, aber die einfachen Mönche hatten zwar jeden Tag zu essen und ein Dach über dem Kopf zum Schlafen, aber dafür arbeiteten sie schwer, verdienten nichts und mussten sich einer harten Disziplin unterwerfen. Nur ein aufrichtiger Glaube konnte ein derartiges Leben aufwiegen. Genau deswegen, dachte er erneut, wollte er nicht, dass sich Masino ohne innere Berufung für ein solches Leben entschied, nur weil seine Schwester es ihm befohlen hatte.
»Die Beerdigung hat bereits stattgefunden«, fuhr der Prior fort. »In aller Eile und ohne Aufsehen. Pater Giovanni wurde gestern Abend auf dem Friedhof hinter der Kirche begraben. Möge es der Himmel verhüten, dass er im Stand der Todsünde gestorben ist.«
»Warum sagt Ihr so etwas? Sicher, die Art und Weise, wie er umgekommen ist, gäbe Anlass zu der Vermutung, dass …«
»Die Art und Weise seines Ablebens tut nichts zur Sache. Oder vielleicht doch. Vielleicht handelte es sich ja um eine Strafe Gottes.« Der Prior sah Gerardo direkt in die Augen, als wolle er erkennen, ob er ihm trauen könne oder nicht. »Euch kann ich es ja sagen: Pater Giovanni war nicht
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