Die Bruderschaft des Schmerzes
einen geschickten Zeitplan an. Wir brauchen eine Sicherheitsfrist zwischen dem Zeitpunkt, wo im Stadion der Tanz beginnt, und dem Moment, wo unsere Leute den Laden stürmen. Mindestens fünf oder zehn Minuten …“
„Mmmh“, murmelte Vanderling, den es ärgerte, daß er die Initiative abgegeben hatte. „Das dürfte genügen, aber wie sollen …?“
„Selbst Moro kann nicht erwarten, daß ich mich ohne eine Art persönliche Leibwache an einen solchen Ort begebe. Hundert Mann dürften ihn nicht aus der Ruhe bringen, er rechnet ja nicht mit einem Angriff von außen. Also muß er glauben, daß seine sechstausend Töter sich alle Zeit nehmen können, die sie brauchen, um uns fertigzumachen. Warum könnte er also etwas gegen eine Leibwache von ungefähr einhundert Mann haben? Sie kann ja doch nur dafür sorgen, daß wir vielleicht zehn Minuten länger leben.“
„He! Genau!“ rief Vanderling aus. „Einhundert Freaks dürften genügen. Ich glaube, daß wir Herogynsüchtige nehmen sollten, weil sie die diszipliniertesten Männer sind, die wir haben, oder?“
O Bruder! dachte Fraden. Ein Geist, so tief wie eine Untertasse. Deine Freaks, nicht wahr, Willem? … Und stahl dem Koch ein Ei …
„Warum nicht?“ sagte Fraden. Da nahm der Koch den Löffel …
„Also, wollen wir es so machen?“
„Wenn es mir gelingt, Moro davon zu überzeugen, daß ich eine Leibwache brauche“, sagte Fraden. „Auf jeden Fall kannst du schon mit den Vorbereitungen beginnen.“
„Fein“, rief Vanderling. Er war schon vom Stuhl aufgesprungen und eilte auf die Tür zu. „Lang lebe die Freie Republik, hm?“ rief er grinsend über die Schulter. Und schlug den Fuchs zu Brei! „Lang lebe der Präsident“, sagte Vanderling noch, dann war er verschwunden.
„ Wie der Fuchs in der Küche“, murmelte Fraden tonlos.
Sobald Vanderling außer Hörweite war, explodierte Sophia: „Bart, das war nicht dein Ernst! Du kannst doch einfach nicht so dämlich sein …“
„O ihr Götter!“ stieß Fraden hervor. „Traust du mir nicht zu, daß ich ein bißchen cleverer als ein durchschnittlicher Dorftrottel bin? Natürlich plant er einen Betrug, einen Doppelbetrug, wenn du es genau nehmen willst. Schließlich will er ja auch Moro hereinlegen. Also werden wir zu einem astreinen Dreifach-Betrug ansetzen!“
„Doppelbetrug, Dreifachbetrug, blabla! Ehrwürdiger Führer, ich fürchte, ich kann dir nicht mehr folgen. Was geht denn nun wieder in deinem krummen Gehirn vor?“
„Wir wollen uns die einzelnen Betrugsversuche mal der Reihe nach vornehmen“, sagte Fraden vergnügt. „Moro und Willem haben einen Plan ausgeheckt, mich hereinzulegen, umzubringen und danach den Planeten irgendwie untereinander aufzuteilen. Bis hierher handelt es sich um einen Verrat von klassischer Schlichtheit. Betrugsversuch Nummer eins besteht nun darin, daß Moro Willem und mich umbringen will, um als Sieger aus allem hervorzugehen. Klar bis hierher?“
„Sogar der alte Kugelkopf scheint das durchschaut zu haben“, erwiderte Sophia. „Ah, Moment … Mit diesem Verrat rechnet die Chromkuppel, und darum hat Willem Moro verraten, indem er dir von der Sache erzählt hat und indem er den Angriff auf den Palast vorbereitet!“
„Aus dir wird noch einmal ein zweiter Machiavelli“, sagte Fraden bewundernd. „Bis dahin ist es so einfach wie ein dreidimensionales Schachspiel. Aber jetzt beginnen die Feinheiten, so sieht es jedenfalls Willem. Er plant also einen Doppelbetrug. Moro verrät er, indem er mich benutzt – so löscht er die Töter und die Bruderschaft aus. In der allgemeinen Verwirrung wird er dann mich aus der Welt schaffen. Unsere Leibwache soll aus seinen Herogynsüchtigen bestehen, begreifst du? Er stellt sich vor, daß alle bis auf ihn tot sind, wenn der Staub sich gelegt hat.“
„Mir schmerzt der Kopf“, klagte Sophia. „Wird es denn nicht so ausgehen?“
Fraden lachte. „Jetzt hast du den Dreifachbetrug vergessen“, sagte er. „Manchmal ist es am einfachsten, wenn man seine Feinde ungestört einen hübschen Plan schmieden läßt und dann im richtigen Augenblick ein paar Asse aus dem Ärmel zieht. Damit erspart man sich viel unnützes Nachdenken. Ich habe zwei Asse in meinem Ärmel. Zunächst einmal bin ich ja immer noch ein Bruder, und wenn alle anderen Brüder tot sind, dann kann ich die Töter einsetzen, die dann noch übrig sind …“
„Ist das nicht eine etwas zu unsichere Karte, um dein Leben darauf zu setzen?“ fragte Sophia.
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