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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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dort hinein!
    Sei kein Narr, sagte er zu sich. Nur weil du einen empfindlichen Magen hast, willst du einen ganzen Planeten aufgeben?
    Er biß die Zähne zusammen. Die Wachen bildeten einen Ring um ihn, und mit ein paar entschlossenen Schritten überquerte er die Straße.
    Der Anblick traf ihn wie eine geballte Faust. Eine Lawine des Ekels stürmte durch alle Sinne auf ihn ein. Der höhlenähnliche, rauchverhangene Raum war von Hunderten, wild durcheinanderlaufenden Menschen erfüllt. Alle schienen gleichzeitig aufeinander einzukeifen. An der gegenüberliegenden Rückwand war ein riesiger Haufen ineinander verschlungener, nackter, menschlicher Leiber aufgetürmt. Mit höhnischen Fischaugen starrten die Leichen in unzählige Richtungen. Ein Tümpel gerinnenden Blutes quoll unter dem Haufen hervor, bedeckte den grauen Steinboden und war am Rande schon braun verkrustet. Wie ein Ameisenzug bewegte sich ein ständiger Strom von Menschen auf die Leichenhalde zu. Sie rissen Körper aus dem verschlungenen, steif gewordenen Knäuel und schleppten sie hinüber an die großen Holztische, wo andere Sangraner die Leichen zerteilten. Hunderte erregter Stimmen mischten sich in diese Geräusche. Alle stritten sie über menschliche Fleischstücke. Jeder Tisch war der Mittelpunkt einer Horde wild gestikulierender Sadianer.
    Und der Gestank, der hier herrschte! Dieser durchdringende Geruch von schmierigen, schwitzenden Menschen, von altem Blut, von Fleisch, das bereits in Verwesung überging, ein übler, fauliger Odem, der sich mit dem Rauch der flackernden Fackeln mischte.
    Saurer Magensaft stieg in Fradens Kehle auf. Es kostete ihn alle Kraft seiner Halsmuskeln, die Übelkeit zurückzuhalten. Um Beherrschung ringend, begab er sich hinter dem Schutzschirm seiner Wachen zu einem Tisch, der etwa in der Mitte der Halle stand. Neugierig blickten die Sadianer auf, umringten ihn und folgten ihm.
    „Platz für den Präsidenten!“ rief einer seiner Männer, als sie den Tisch erreicht hatten. Der Holztisch war noch immer von einer Menschentraube umgeben, in deren Mitte ein bleichhäutiger Sangraner phlegmatisch etwas zersägte.
    „Macht den Tisch frei!“ befahl der Guerilla, und ein Dutzend Sadianer packten den Leichnam und zogen ihn mit sich. Bald waren sie in der Menge verschwunden, die sich bereits um den Tisch angesammelt hatte.
    Zitternd und mit weichen Knien erkletterte Fraden den blutigen Tisch. Dann sah er in die stumpfen Augen der Menge, sah die Tische mit den zerfleischten Körpern und den großen, grauen Leichenhaufen …
    Es würgte in seinem Hals, und er schloß die Augen, um es niederzukämpfen …
    Und in diesem Augenblick stieg ein Gemurmel aus der Menge auf und formte sich zu einem drohenden, hallenden Chor: „ BART ! BART ! BART !“
    Einen Moment lang erfüllte Fraden ein abgrundtiefer Ekel vor sich selbst, doch dann hatte er sich wieder in der Gewalt. Bewußt ergab er sich dem Ruf, dem Klang seines Namens, der von seinem Volk gerufen wurde. Er griff nach diesem Laut, hielt sich daran fest, klammerte sich daran, und dann erhob er sich mit ihm. Er schwebte über dem Unflat, dem Blut und seiner würgenden Übelkeit. Sein Name war es, der von seinem Volk auf seinem Planeten gerufen wurde. Mir gehört das Universum! Mir! Mir! Mir! „ BART ! BART ! BART ! BART !“
    Er öffnete endlich die Augen, und ja, jetzt lag ein milder Nebel über allem, über den toten Körpern, über dem Blut und über dem Gestank. Er sah hinab und blickte in ein Meer von begierigen, wartenden, rufenden Gesichtern. Wie durch einen Tunnel schaute er nur auf dieses Bild und sah nichts anderes mehr, nur noch diese anonymen Gesichter. Seine Übelkeit war verflogen, die animalische Hitze der Menschen, die da zu ihm aufschauten, hatte sie vertrieben.
    Mit einer Handbewegung brachte er sie zum Schweigen, dann sprach er:
    „Wißt ihr, was in drei Tagen stattfindet?“
    „ DER SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG !“ heulten die Sadianer, und es war eine raubtierhafte Raserei in ihrem Ruf, die er nicht verstand und die sein Blut gerinnen ließ.
    „Schmerzenstag! Schmerzenstag!“ schrie Fraden, und er übertöne die Stimme der Menge. „Aber es wird nicht irgendein Schmerzenstag sein! Der Todestag! Der Todestag für den Propheten und die ganze Bruderschaft des Schmerzes!“
    Jetzt schwiegen die Sadianer. Sie sahen begierig und erwartungsvoll zu ihm auf. Er mußte jetzt sehr vorsichtig sein. Er brauchte diesen Mob am Schmerzenstag, einen Mob, der

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