Die Bruderschaft des Schmerzes
hundert toten und sterbenden Tötern rächten. Fraden sah alles. Er starrte und starrte und starrte und wünschte sich, daß er sich erbrechen könnte. Er sah so lange hin, bis ihm die Augen den Dienst versagten, dann ließ er sich auf die Knie fallen und bedeckte die Augen mit den Händen. Doch die Laute, die er hörte, drangen wie eine Messerklinge in seine Ohren, es war ein Schmerz, der niemals mehr ein Ende nehmen wollte.
Endlich änderte sich das Lautgemisch, klang auf eine groteske Weise wie ein fröhlicher Festgesang, der lauter wurde und näher kam.
Er sah, daß der wilde Mob eine menschliche Gestalt auf den Schultern trug. Es war Willem Vanderling. Seine Kleidung hing in Fetzen herab. Sein kahler Schädel war mit geronnenem Blut besudelt.
Fraden hatte noch einen Moment lang Zeit, über den Pöbel hinweg auf den Talboden zu blicken, der mit einer widerwärtigen Schicht aus Leibern, Fleischklumpen und geronnenem Blut bedeckt war, dann war die Meute über ihm.
Ein vielstimmiger Hurra-Ruf erscholl. Unzählige gierige, blutige Hände packten ihn und hoben ihn auf die dicht an dicht gedrängten Schultern der Menge. Fraden ritt auf den Schultern des Mobs wie ein Korken, der auf einer Wasserfläche tanzt. Der Präsident, der Führer, der Held der Revolution …
Über den See von menschlichen Leibern hinweg konnte Fraden Vanderling sehen, der ein paar Meter entfernt auf einer Welle aus Schultern ritt. Er war mit dem Blut seiner Opfer bedeckt, die Sonne von Sangre ließ rote Lichtreflexe auf seinem kahlen Schädel aufleuchten.
Seine Augen blickten glasig, sein Mund war zu einem bösen, selbstzufriedenen Grinsen verzogen. Ihn interessierte nichts als der Ruhm dieses Augenblicks, die Stunde des abscheulichen Sieges, der gesättigten Blutgier.
Nach und nach nahmen die chaotischen Schreie und Rufe der Sangraner einen regelmäßigen, getragenen Rhythmus an. Sie riefen einen Namen:
„ BART ! BART ! BART ! BART !“
Wieder und wieder erscholl ihr Triumphgesang, das Lied ihres Erwachens: „ BART ! BART ! BART ! BART ! BART !“
Trotz seines Ekels und trotz des Schreckens, aus dem dieser Gesang entstanden war, konnte Fraden dem Ruf nicht widerstehen. Die Woge wilder Verehrung trug ihn empor. Er fühlte, wie der reine, unverfälschte und zugleich obszöne Triumph des Augenblicks alles andere überwältigte. Das Gefühl sickerte ins Mark seiner Knochen und brannte den Schrecken aus, den er zuvor in dem Aufflammen tierischer Hitze erlebt hatte. Aus irgendeinem entlegenen Winkel seines Geistes protestierte eine ferne, dünne Stimme, aber den Ruf des Volkes, seines Volkes, konnte sie nicht übertönen. Die Menge trug ihn wie ein Götzenbild. Er war Bart Fraden, der Held der Revolution, und er ging in dem unsinnigen, animalischen Ruhm der Stunde auf. Er sank in die mächtigen Arme eines Liebhabers, dem kein Mensch lange widerstehen kann.
Einen winzigen Moment lang flackerte ein Bild vor seinen Augen auf, es war flüchtig, wie das Zucken einer Kerzenflamme im Sturm. Er hatte Vanderling erblickt, und Willems Gesicht hatte sich in eine gequälte Maske nackten, äußersten Neides verwandelt.
Bart Fraden stand vor dem Eingang seiner Hütte. Geräusche drangen aus dem Camp, dem er den Rücken zuwandte. Lachen war zu hören und leiser werdende Siegesrufe. Alles vermischte sich zu dem dämmrigen Gemurmel einer siegreichen Armee, die sich auf die Nacht vorbereitet. Der Klang umwehte Fradens Schultern wie ein windbewegter Umhang, er wärmte ihn, umschmeichelte ihn und vermischte sich mit der Erinnerung an einen anderen Laut, an den Klang seines Namens, der aus Tausenden von Kehlen drang, während er von seinem Volk auf den Schultern durch Dschungel und Grasland und durch Dutzende wild feiernder Dörfer getragen wurde, bis ihn schließlich dieses große menschliche Meer zur Dämmerstunde wie ein Stück Treibgut in das Guerillalager gespült hatte.
Und so wurden die Geräusche des Lagers für ihn zu einem Echo jenes Meeres aus Sangranern, die ihn als ihren Helden durch das Land getragen hatten. Fraden stellte fest, daß die Übersteigerung, der unmoralische Triumph und das Gefühl, riesengroß zu sein, mit dem Abzug der Sangraner nicht von ihm gewichen waren. Es umgab ihn noch immer, umhüllte ihn mit einer heißen, goldenen Aura, mit einem überlebensgroßen Charisma.
Fraden war durch den Eingang getreten und stand in der Hütte. Er fühlte, wie seine Macht, seine Männlichkeit, sein Charisma, sein Universum erleuchteten, und
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