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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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solche Taktik natürlich glattem Selbstmord gleichgekommen, aber so wie die Dinge lagen, konnten die Töter kaum etwas anderes tun, als sich so dicht wie möglich auf den Boden zu pressen und darauf zu warten, daß die Guerillas herankamen. Wenn sie einen Sturmangriff auf eine Reihe der Guerillas versucht hätten, hätten sie der anderen Reihe ihren Rücken zuwenden müssen, und es wäre genauso vergeblich gewesen, wenn sie ihre Streitkraft aufgeteilt hätten.
    Nun hatten die beiden Guerillalinien etwa zwei Drittel der Hangstrecke hinter sich gebracht. Ein stechender Nebel von blaugrauem Pulverdampf hing über dem Tal. In Fradens Ohren dröhnte der ununterbrochene Hall des massierten Gewehrfeuers. Durch den Nebel konnte er erkennen, daß ein großer Teil der Töter bereits niedergemäht war. In verkrümmten Haltungen bedeckten sie die Talsohle. Hier und dort war ein geradezu heldenhafter Mündungsblitz zu sehen, wenn ein Töter seine letzte Kugel verschoß. Daß hin und wieder auch ein Guerilla zu Boden ging, war ohne Bedeutung.
    Fraden hob die Augen und sah zu Vanderling auf dem anderen Kamm hinüber. Er stellte fest, daß Vanderling den halben Hang hinuntergestiegen war. Wollte dieser Idiot sich tatsächlich selbst in das Getümmel stürzen? Er sah wieder hinauf zum Kamm, der sich inzwischen mit Sangranern füllte, Männern, Frauen und Kindern, die schweigend den Kampf beobachteten.
    Er drehte sich um und bemerkte, daß der Kamm hinter ihm ebenfalls mit schweigenden Sangranern bedeckt war. Sie standen benommen da, ihre Kiefer waren ungläubig herabgesunken, aber in ihren Augen begann es zu glühen, als sie sahen, wie ein Töter nach dem anderen zu Boden ging. Hin und wieder geschah es, daß eines der ausdruckslosen Gesichter zu lächeln begann. Die Sangraner hatten eben erst begonnen, die Volksarmee als ihre Armee anzuerkennen, und jetzt waren sie Zeugen, wie diese Armee fast ohne Verluste immer weiter gegen die Talsohle vorrückte. In diesen Augen, diesem rätselhaften Lächeln lag etwas, das Fraden nicht richtig fassen konnte: ein unheilvoller, hungriger Ausdruck, der ihn beunruhigte. Ihre Augäpfel glänzten feucht und lustvoll, etwas Dunkles, Unheimliches schien seinen Schatten über sie zu werfen.
    Es erleichterte Fraden fast, als er seinen Blick wieder der Talsohle zuwandte. Die Guerillas hatten den Fuß der Hänge erreicht. Sie zögerten, stellten sich auf und feuerten weiter Salve um Salve in die zwischen ihnen eingeschlossenen Töter. Diese benutzten die Körper ihrer gefallenen Kameraden als Barrikaden. Die Zeit schien stillzustehen. Breitbeinig standen die Rebellen da und ergossen ihr mörderisches Kreuzfeuer auf die Überreste der Töter-Streitmacht, die sich hinter ihre menschlichen Verschanzungen duckten und nichts tun konnten, als zu sterben. Die Rebellen waren unschlüssig, wie sie nun weiter vorgehen sollten.
    Die überlebenden Töter trafen diese Entscheidung für sie.
    Etwa in der Mitte des Tales sprang eine Gruppe der Töter plötzlich auf und stürmte auf die zögernden Rebellen im Süden zu. Sie achteten nicht auf den Geschoßhagel, der ihnen entgegenschlug, schwangen die schrecklichen, klingenbestückten Morgensterne über den Köpfen, und aus ihren schaumverklebten Lippen drang der durchdringende Kriegsruf auf: „ TÖTEN ! TÖTEN ! TÖTEN ! TÖTEN !“
    Erschreckt wichen die Rebellen ein paar Meter zurück, dann eröffneten sie das Feuer. Die anstürmenden Töter wurden zu Boden gerissen, als ob sie eine eiserne Faust getroffen hätte.
    Doch es war zu spät. Ihr Beispiel hatte ihre Kameraden entflammt. Halbtot vor Hunger, wahnsinnig vor Zorn über den Tod ihrer Gefährten, deren Leichen sie umgaben, brachen die Töter endlich hervor. Im ganzen Tal sprangen sie gleichzeitig auf, stießen die Körper ihrer toten Kameraden beiseite, heulten, schrien, rissen die Morgensterne hoch. Blutgetränkter Schaum tropfte von ihren zerbissenen Lippen. Sie stürmten mit der sinnlosen Wut der Berserker auf die südliche Kette der Guerillas zu; diejenigen unter ihnen, die so schwer verwundet waren, daß sie nicht mehr laufen konnten, setzten sich kriechend in Bewegung. Und einige, die weder hinken noch kriechen konnten, krallten sich die Hände ins eigene Fleisch und stimmten in den Kriegsruf ein, dessen schrecklicher Hall das Tal erfüllte: „ TÖTEN ! TÖTEN ! TÖTEN ! TÖTEN ! TÖTEN ! TÖTEN ! TÖTEN !“
    Es waren etwa fünfhundert Töter, die gegen tausend Guerillas anrannten. Sie liefen gegen eine

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