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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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zuckte die Achseln und wandte sich wieder ihrem Reis und Gemüse zu. „Beklage dich nur nicht, wenn ich dann erkläre, daß ich es dir gleich gesagt habe“, erwiderte sie mit vollem Mund.
     
    Mit einem Auge beobachtete Bart Fraden den Bildschirm des Bootes und mit dem anderen suchte er auf der Karte nach dem dritten sangranischen Dorf, das er besuchen wollte. Er stellte fest, daß er zunehmend unruhiger wurde. Bisher hatte er aufs Geratewohl zwei Dörfer angesteuert. Oberflächlich betrachtet war dort alles nach Plan verlaufen. Die Felder der Dörfer hatten brachgelegen, da die Gehirne tot waren. Guerillas in der üblichen Töter-Verkleidung hatten sie umgebracht. Die Dörfer waren halb leer, denn die Männer hatten sich in den Dschungel davongemacht, um von dort aus ihre Raubzüge zu unternehmen. Alles nach Plan also …
    Ein paar kleine Besonderheiten störten ihn jedoch. Die Frauen und Kinder der Dörfer sahen gesünder und fetter aus als alle Sangraner, die er bisher gesehen hatte. Neben den niedergebrannten Feuerstellen lagen die Knochen der Fleischtiere in großen Haufen. Aber das war schließlich zu erwarten, wenn man ein halb verhungertes Volk dazu anstiftete, sich hemmungslos gehenzulassen. Wenn die Revolution erst einmal vorüber war, konnte man ja versuchen, konventionelle Fleischtiere von anderen Planeten herbeizuschaffen. Danach würde auch der Kannibalismus ein Ende nehmen. Nein, das war es nicht, was ihm dieses Unbehagen bereitete … Da war zum Beispiel die Geschichte, die man ihm im ersten Dorf erzählt hatte, die Geschichte von den Tötern, die das Gehirn getötet und dabei sieben Dorfbewohner niedergemetzelt hatten … Und dann die anderen menschlichen Knochen, die er in dem zweiten Dorf gefunden hatte. Knochen von erwachsenen Menschen, Schädel mit spitz zugefeilten Zähnen … Töterknochen! Sie hatten Gefangene gemacht, und sie hatten … die Töter aufgefressen, die sie gefangen hatten. Das war schlimm genug. Die Geschichte, die sie darüber erzählten … wie sie zufällig zwei verwundete Töter gefunden hatten und zufällig gerade sehr hungrig waren … Irgendwie schien diese Geschichte nicht die ganze Wahrheit zu enthalten …
    Jetzt sah Fraden, wie das dritte Dorf auf dem Bildschirm auftauchte. He, was war denn das?
    In der Mitte des Dorfes gab es Tumult … Leute liefen durcheinander … Rauch stieg von fast einem Dutzend Feuern auf …
    Fraden preßte die Zähne aufeinander und steuerte das Boot in Spiralen auf das Dorf zu. Wie es schien, würde er gleich selbst genau sehen, was die Sangraner nach einem solchen Überfall taten. Neugierde und dunkle Vorahnung hielten sich in ihm die Waage.
    Er setzte das Boot am Rand des Dorfplatzes ab und nahm – Revolutionsheld oder nicht – eine Schnittpistole aus der Halterung. Dann trat er aus der Luftschleuse und ging auf den grotesken Trubel zu.
    Es war ein bizarrer Anblick. Zehn Feuer brannten in der Mitte des Dorfes, und über jedem Feuer drehte eine sangranische Frau einen Spieß, auf dem ein Fleischtier steckte. Neben den Feuern lagen geschlachtete Kreaturen in großer Anzahl. Sie waren bereits aufgespießt und sollten bald an die Reihe kommen. Die Luft war von dem durchdringenden Aroma bratenden Fleisches erfüllt. Der Geruch quälte Fraden. Er ließ ihm trotz des Schreckensbildes, das sich ihm bot, das Wasser im Mund zusammenlaufen. Es war so lange her, seit er zum letzten Mal schmackhaftes Fleisch gegessen hatte … Ungefähr zweihundert Männer, Frauen und Kinder standen und saßen um die Feuer herum. Sie hielten gewaltige Bratenstücke in den Fäusten, tranken Wein aus Tonkrügen und starrten neugierig auf das Boot, dem er soeben entstiegen war.
    Als sie ihn erkannten, stimmten sie Hurra-Rufe an und winkten mit halb abgenagten Knochen und fettigen Fleischstücken. Die Sitzenden sprangen auf, und der ganze Mob begann, seinen Namen zu brüllen:
    „ BART ! BART ! BART ! BART !“
    Fraden wurde innerlich hin und her gerissen. Der Geruch des Fleisches ließ seinen Speichel fließen, aber der Gedanke an die Art dieses Bratens, der Anblick der aufgespießten menschlichen Körper drehte ihm den Magen um. Der Klang seines Namens, den sie riefen, erweckte Erinnerungen in ihm, die ihm schmeichelten, aber die Dinge, mit denen sie ihm zuwinkten, vermischten sein Hochgefühl mit Abscheu. Doch mit dem, was er hier sah, mußte er rechnen. Alles lief genau nach Plan. Aber er hatte es noch nie mit angesehen und gerochen, und diese Erfahrung bereitete

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