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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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ihm Übelkeit.
    Die Sangraner formierten sich zu einem gröhlenden, winkenden Willkommenschor, während er zögernd auf sie zuging.
    „ BART ! BART ! BART ! BART !“
    „Lang lebe die Freie Republik!“ brüllte Fraden. Er versuchte, damit ihren Sprechchor abzuschneiden, der sich immer mehr in einen Hohngesang zu verwandeln schien. Die Sangraner umringten ihn, schüttelten ihm die Hand, betasteten ihn mit von Menschenfett beschmierten Fingern, schwatzten, lachten, grunzten und rülpsten in zügelloser Freude.
    Brüllende und gestikulierende Männer und Frauen hoben ihm Tonkrüge an den Mund und hielten ihm würzige, knusprige, braune Fleischstücke unter die Nase. Er spürte Abscheu und Verlockung und dann tiefere Abscheu, diesmal vor sich selbst, vor seinem Magen, der ihn bedrängte, an dem garstigen Gelage teilzunehmen.
    Das ist dein Volk, sagte Fraden wieder und wieder zu sich selbst, du bist ihr gottverdammter Held. Aber es kostete ihn eiserne Nerven, sie ruhig zur Seite zu schieben, während der Ekel in ihm wütete und die Schnittpistole in seinen Händen warm und lebendig zu werden schien.
    Ja, sie waren sein Volk, sie waren Bürger seiner Freien Republik von Sangre. Sie waren das einzige Volk, das er hatte. Er durfte ihnen nicht zeigen, was er fühlte, er durfte nich einmal unglücklich erscheinen!
    Er zwang sich zu einem leutseligen Lächeln, schüttelte widerlich fettige Hände, murmelte belanglose Nettigkeiten und hatte gleichzeitig große Mühe, Ekel und Wut in seinem Innern im Zaume zu halten.
    Er schob Wein und Fleisch zur Seite und murmelte dazu: „Hab’ schon in zwei Dörfern gegessen, ich bin bis obenhin voll … Ihr habt ja eine ganze Menge Futter zusammengetragen. Macht so weiter! Nehmt euch, was ihr braucht, ihr macht das ganz richtig!“
    Liebe Güte, welch ein Alptraum!
    Es dauerte gar nicht lange, dann ließen sie von ihm ab und wandten sich wieder ihrem Vergnügen zu. Bald stand er allein da, gnädig ignoriert, und konnte dem Gelage zusehen.
    Dutzende völlig betrunkener Sangraner lagen auf dem Boden umher, verschlangen riesige Stücke angeschmorten Menschenfleisches oder knabberten versonnen an halb abgenagten Knochen. Gelächter und Verdauungsgeräusche und das widerwärtige Geräusch schmelzenden menschlichen Fetts, das in die Flammen tropfte … Der Gestank schmutziger Leiber, von vergossenem Blut, saurem Wein und schmorendem Fett vereinigte sich zu einem durchdringenden Geruch, der nach Dekadenz, Obszönität, Schuld und Schrecken schmeckte …
    Fraden stand da und beobachtete alles wie durch einen Schleier. Schrecklich, ekelerregend, widerwärtig wie es war, konnte er es doch nicht Willem zuschreiben. Alles verlief genau nach Plan, nach seinem Plan! Dieser Satz setzte sich in seinem Gehirn fest und verhöhnte ihn wieder und wieder: alles genau nach Plan … alles genau nach Plan …
    Dann geschah etwas, das eindeutig nicht genau nach Plan verlief.
    Von der fernen Seite des Platzes war ein lautes Gebrüll zu hören. Wie kleine Jungen, die zu einem Feuer eilen, liefen die Sangraner auf die entlegene Hüttenreihe zu. Sie lachten, brüllten und fuchtelten mit den Armen in der Luft herum. Einen Augenblick später waren sie zu einer dichten Menschentraube verschmolzen, die lachte, fluchte und … offensichtlich nach etwas trat, das sich in ihrer Mitte befand.
    Zögernd ging Fraden näher an die rasende, stampfende Meute heran. Sie teilte sich einen Augenblick lang, und Fraden sah …
    Ein Wesen, das einmal ein Mensch gewesen war, wird immer als Mensch zu erkennen sein, ganz gleich, was noch von ihm übrig ist. Wie ein monströser, weißer Wurm rutschte eine nackte menschliche Gestalt auf dem Bauch über den Boden. Vergeblich versuchte sie, den Tritten und Schlägen der Sangraner zu entkommen. Arme und Beine waren schlaff und seltsam verdreht, sie waren an vielen Stellen gebrochen. Der Mund war eine blutende rote Masse. Man hatte dem Wesen alle Zähne ausgerissen. Als Fraden das Gesicht des Mannes sah, das hagere, harte Gesicht, die wahnsinnigen, brutalen Augen, das weit hinten ansetzende rotbraune Haar, wußte er, warum man ihm die Zähne ausgerissen hatte: Die schrecklich verstümmelte Kreatur war ein Töter, und jetzt war er dem johlenden, stampfenden Mob völlig schutzlos ausgeliefert.
    Wie hetzende Hunde trieben sie den Töter auf das Feuer zu. Sie stießen ihn mit stumpfen Speeren und schartigen Sicheln, bis sein Körper blutüberströmt war. Der Töter wand sich auf dem Bauche und

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