Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
weiteres Mal zu tun. Ich weiß schon seit einigen Jahren, dass mein Herz und meine Seele die Last nicht länger tragen können und dass meine Zeit gekommen ist. Aber ich nehme mal an, dass ihr wohl mit gut hundert, womöglich mit hundertzwanzig Lebensjahren rechnen könnt, sofern ihr von einem gewaltsamen Tod verschont bleibt.« »Da sei des Gralsritters Schwert vor!«, sagte Maurice und tätschelte mit einem breiten Grinsen das Griffstück seiner Waffe. »Erzählt uns, was Ihr über die Iskaris wisst, Abbé!«, sagte Gerolt. »Einer der Judasjünger, mit denen wir vor der Kirche die Klingen gekreuzt haben, hat von einem Mann namens Sjadú gesprochen. Es klang, als wäre er ihr Anführer.« Das verwitterte Gesicht des alten Gralshüters nahm einen besorgten Ausdruck an. »Ja, das ist er auch. Er ist in diesem Land geboren und es heißt, er sei ein direkter Abkömmling des Judas Iskariot, der Jesus verraten hat. Ich habe schon befürchtet, dass Sjadú irgendwann die Spur des Heiligen Grals aufnehmen und in Akkon auftauchen würde. Es war nur eine Frage der Zeit. Zum Glück ist nicht er es gewesen, dem ihr dort oben in die Arme gelaufen seid. Denn dann wäret ihr wohl kaum alle vier entkommen.« McIvor zog die Augenbrauen hoch. »Ist dieser Sjadú denn so gefährlich?« Abbé Villard nickte. »Er ist der leibhaftige Teufel, soweit ein Mensch dem Fürst der Finsternis an Bösartigkeit, Grausamkeit und zerstörerischer Kraft nur gleichkommen kann! Er ist sozusagen der Stellvertreter des Teufels auf Erden und wird euer größter und gefährlichster Feind sein! Zweimal bin ich ihm in meinem Leben begegnet. Das erste Mal im Gründungsjahr des Templerordens und dann ein halbes Jahrhundert später noch einmal. Damals war er ähnlich jung wie ich, und obwohl ich einer der besten Schwertkämpfer meiner Zeit war, bin ich im Kampf mit ihm beide Male nur ganz knapp dem Tod entronnen! Er verfügt über wahrhaft teuflische Kräfte, wie sie glücklicherweise wohl nur ihm und nicht auch all den anderen Iskaris gegeben sind! Aber auch die gewöhnlichen Judasjünger sind als Kämpfer nicht zu unterschätzen!« »Den Fehler werden wir bestimmt nicht machen!«, versicherte Maurice. »Sie scheinen ungeheure Schmerzen ertragen und trotz schwerster Verwundungen weiterkämpfen zu können.« »Ja«, sagte Abbé Villard. »Nicht einmal die schlimmste Folter kann sie brechen und zum Reden bringen. Eher sterben sie, als dass sie Verrat an ihrem Schwur begehen, mit dem sie dem Teufel Treue bis in den Tod gelobt haben. Es heißt jedoch, dass sie nichts so sehr fürchten wie Weihwasser oder eine geweihte Hostie. Mir ist es aber noch nie gelungen, einen Iskari lebend in meine Gewalt zu bekommen und herauszufinden, ob das wirklich stimmt. Auch weiß ich nicht zu sagen, was es mit den anderen Gerüchten auf sich hat, die mir ans Ohr gedrungen sind.« »Was sind das für Gerüchte?«, fragte Gerolt sofort. »Es hält sich seit Jahrhunderten in der Bruderschaft die Vermutung, dass es irgendwo einen von Teufelsdienern streng bewachten Ort gibt, den die Judasjünger als ihr Heiligtum betrachten. Es soll sich um eine Art Kloster des Bösen handeln, wo neue Mitglieder in den Bund der Judasjünger aufgenommen werden und wo sie zu besonderen Teufelsmessen zusammenkommen«, berichtete der Gralshüter. »Angeblich soll das auch der Ort sein, wohin sie den Heiligen Gral verschleppen wollen. Dort soll er zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, und zwar zur Stunde einer Sonnenfinsternis, dem Fürst der Finsternis geopfert und vernichtet werden, auf dass sich der Quell des Lebens bei dieser schwarzen Messe in eine entsetzliche, unvorstellbare Macht des Verderbens verwandelt und den Iskaris die Herrschaft über die Welt bringt.« Die Vorstellung, dass sie als Gralshüter eines Tages versagen und schuld an dieser Katastrophe sein könnten, bewirkte bei Gerolt, Maurice, Tarik und McIvor schauderndes Entsetzen. Zum ersten Mal spürten sie die gewaltige Last der Verantwortung, die sie auf sich genommen hatten. Als Hüter des Heiligen Grals hatten sie nicht nur den heiligen Kelch, den Quell des Lebens zu schützen, sondern es hing von ihrem Erfolg oder Versagen bei dieser Aufgabe zugleich auch das Schicksal der Welt ab! Und sie begannen nun zu verstehen, was es für Abbé Villard bedeutet haben musste, dieses erdrückende Amt so lange tragen zu müssen. »Es soll neben dieser schwarzen Abtei des Bösen noch andere geheime Orte geben, die der Versammlung der Judasjünger und
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