Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
al-Dhahab, mein Bester. Da wirst du an seinem Tod bestimmt mehr Freude haben als hier unter den Prügeln deiner Wachleute!« Niemand anders als dieser plattnasige Amir ibn Sadaqa, vor dem mich Turnbull gerade eben noch gewarnt hat, hat mich gekauft!, fuhr es McIvor entsetzt durch den Kopf, bevor ihn die Bewusslo sigkeit gnädig umfing. Er will mich für die blutigen Zweikämpfe in seinem Haus des Goldes! Allmächtiger, dümmer hätte ich es wirklich nicht anstellen können!
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Eine hohe Mauer aus luftgetrockneten Ziegeln mit ei nem breiten Wehrgang umgab auf dem Ostufer des Nils in einem meilenweiten Bogen, der auch den vorspringenden Felssporn des Mokattam mit der Zitadelle einschloss, die Landseite von al-Qahira. Und in dieser mächtigen Wallanlage nahmen sich die besonders stark befestigten Stadttore wie kleine, eigen ständige Festungen aus. Tarik betrat die Stadt im Norden durch das Bab al-Futuh, das Tor der Eroberung. Das Torhaus mit seinem gewaltigen, himmel wärts strebenden Rundbogen lag im Schutz von zwei trutzigen, vorgesetzten Wachtürmen, die sich rechts und links weit über das Bab al-Futuh und die Stadtmauer erhoben. Im bunten Strom der Tagelöhner, Bettler, Dienstboten, Händler und Bauern, die das Nadelöhr nicht schnell genug mit ihren Körben, Karren und Lasttieren passieren konnten, fiel er nicht auf. Niemand schenkte ihm in dem Gedränge einen zweiten Blick. Gleich hinter dem Bab al-Futuh begann die Qasaba, die geschäftig pulsierende Lebensader der Stadt. Auf einer Strecke von mehr als einer Meile schnitt diese Hauptverkehrsstraße mit einer Breite von gut fünfzehn Schritten in einer geraden Line von Nord nach Süd durch das Häusermeer, sodass die Nordwinde ungehindert durch das Herz von al-Qahira wehen und in den heißen Monaten ein wenig Kühlung bringen konnten. Die Qasaba führte auf ihrem Weg zum Bab al-Zuwayla, das den inneren Kern Cairos im Süden begrenzte, an Palästen, öffentlichen Brunnen und Bädern, am Hospital und an nicht weniger als acht prächtigen Moscheen vor bei. Und zu beiden Seiten der Qasaba zweigten die dämmrigen Labyrinthe der einzelnen haras, der Stadtviertel ab, wo die mit geschnitzten Erkern, Balkonen, Terrassen und Innenhöfen reich ausgestatteten Wohnhäuser oftmals acht, neun Stockwerke und mehr in die Höhe stiegen. Und die suqs, die verwinkelten Basare eines jeden Stadtteils, wurden geprägt von einem ganz bestimm ten Gewerbe oder Handwerk, das sich dort konzentrierte. Mekka mochte mit der Kaaba der heiligste Ort für alle gläubigen Muslims sein. Doch im Wettstreit unter den orientalischen Städten machte al-Qahira ihrem Namen als »Die Siegreiche« alle Ehre und galt als die unbestrittene Königin. Doch Tarik befand sich nicht in der seelischen Verfassung, sich von der einzigartigen Größe, dem Reichtum und der Häuserflut Cairos so beeindrucken zu lassen, wie es wohl unter anderen Umständen der Fall gewesen wäre. Zudem hielt er sich auch nicht zum ersten Mal in einer großen orientalischen Metropole auf. Das farbenfrohe, lärmende, quirlige Leben auf den Straßen mit seinem ständigen Wechsel aus Pracht und Dreck, Wohlgerüchen und Gestank war ihm ebenso vertraut wie das himmelschreiende Elend, auf das man überall traf, die Verschwendungssucht der in Sänften vorbeiziehenden Reichen, die vielen Esel, Maultiere und Kamele, die Lasten durch die Straßen schleppten, und die ganz eigene Welt der Suqs mit ihrem engen Gassengewirr, wo sich die von Waren überquellenden Läden scheinbar endlos aneinanderreihten und wo man sich leicht verirren konnte. Er kannte all das, wenn auch in etwas bescheidenerer Ausprägung, von seinen Besuchen in Damaskus, wohin sein Vater ihn zweimal mitgenommen hatte, als er noch ein kleiner Junge gewesen war. Kurz hinter der aus Ziegelsteinen erbauten Al-Hakim-Moschee, mit der sich einer der grausamsten Kalifen vor gut dreihundert Jahren ein bleibendes Denkmal gesetzt hatte, folgte er der nächsten brei ten Straße, die von der Qasaba abzweigte. Sie führte ihn wenig später über den khalij, den breiten Kanal im Westteil von Cairo, und brachte ihn, ganz wie er vermutet hatte, auf dem kürzesten Weg zum Hafenviertel von al-Maks. Die Calatrava hatte er dort schnell gefunden, lag sie mit den Schiffen des Emirs el-Shawar Sa buni doch noch immer an einer der zentralen Landungsbrücken. Bei ihrem Anblick atmete er erleichtert auf. Ihn hatte die Sorge gequält, dass man das schwer beschädigte Schiff vielleicht zur Reparatur an einen
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