Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
Hals und auf dersel ben Höhe rechts und links auch seine Handgelenke fest umschloss, ließ sich so besser ertragen. Über ihm schnitten die hohen Mauern des Khan * ein lang ge strecktes, steinernes Rechteck aus dem Himmel über Cairo. Noch vor wenigen Minuten hatte samtene Schwärze diesen Ausschnitt von Mauerkante zu Mauerkante ausgefüllt. Doch dann war das erste Grau der Morgendämmerung über das mächtige Geviert hinweggezogen, ohne sich jedoch lange halten zu können. Ein kurz aufleuchtender grüner Schein hatte das kraftlose Grau vom Himmel gewaschen und mit seinem flüchtigen Auftritt der rotgol denen Flut der Sonnenkönigin die Bühne bereitet. In seinem wutgeladenen, finsteren Gemütszustand nahm McIvor das eindrucksvolle, schnell wechselnde Farbspiel am Himmel kaum wahr. Er zürnte mit sich selbst und hätte sich am liebsten geohrfeigt, weil er sich durch seine eigene Gedankenlosigkeit um all seine kostbaren Edelsteine gebracht hatte. Wie hatte er bloß so einfältig sein können, diese fettige Suppe aus Hammelresten hinunterzuschlingen, die man gestern Abend bei ihrem Eintreffen in der Karawanserei an sie alle ausgeteilt hatte. Und das, nachdem er drei Tage lang keine feste Nahrung zu sich genommen hatte! Wo war er nur mit seinen Gedanken gewesen? Natürlich bei Tarik, Gerolt und Maurice und seiner Sorge um den Heiligen Gral. Aber das konnte er vor seinem Gewissen nicht als Entschuldigung gelten lassen. Er hätte sich bewusst sein müssen, dass seine Gedärme gereizt auf das fettstarrende Essen reagieren würden! Und genau so war es dann auch geschehen. Mitten in der Nacht hatte es schrecklich in ihm zu rumoren begonnen. Die Rubine und Smaragde zwischen all den vielen anderen Sklaven noch irgendwie zu retten, war völlig unmöglich gewesen. Einer der dunkelhäutigen Wachmänner des Gazi Gaharka hatte ihn zur Latrine geführt und ihm nur kurz die linke Hand aus dem Joch freigegeben, und so waren dann die kostbaren Edelsteine im dunklen Loch des stinkenden Abortes verschwunden. Ein leicht vermeidbarer Durchfall, der ihn wegen seiner Gedankenlosigkeit ein Vermögen gekostet hatte! Und damit blieben ihm nur noch die beiden Goldstücke, die er behalten hatte. Er wünschte, er hätte im Vertrauen auf die verschluckten Edelsteine nicht darauf bestanden, dass Tarik seine anderen Goldstücke an sich nahm. Denn das Gold, das er jetzt noch im Seidengürtel unter seiner Tunika bei sich trug, reichte nie und nimmer, um sich freizukaufen! Er konnte nur hoffen, dass es ihm zumindest die Bestechung eines Aufsehers ermöglichte. Das lehmfarbene Minarett einer Moschee, die sich an die Ostmauer der Karawanserei anschloss, ragte in das von mildem Morgenlicht durchflutete Rechteck über McIvor. Der Muezzin trat jetzt hoch oben aus der kleinen Säulenrotunde auf die umlaufende hölzerne Galerie, legte die Hände an den Mund und ließ sei nen Singsang auf das Stadtviertel herabsinken, mit dem er die Gläubigen zum Morgengebet rief. Der Gebetsruf scheuchte kurz einen stattlichen Milan auf, der oben auf der goldenen Kuppel-spitze unter dem Halbmond gesessen hatte. Doch schon nach zwei gemächlichen Kreisen über der Moschee ließ er sich wieder dort nieder, wo er vor dem Ruf zum Gebet gesessen hatte. »Wusstest du, dass nur Blinde das Amt eines Muezzins ausüben dürfen, Templer?«, fragte eine raue, heisere Männerstimme neben McIvor, und ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie sogleich fort: »Würden nämlich Muezzins mit gesunder Augenkraft die Gebete von dort oben ausrufen, könnte es ja geschehen, dass ihr Blick zufällig auf unverschleierte Frauen in den Innenhöfen und auf den Dachterrassen fällt.« Der Mann, der Timothy Turnbull hieß, sein halbes Leben als einfacher Soldat im Heiligen Land verbracht hatte und schon seit sieben Jahren das Elend mamelukischer Sklaverei ertrug, lachte spöttisch auf. »Und das soll Allah und vor allem den Männern, zu deren Harem die Frauen gehören, gar nicht gefallen. Dass du aber auf den Straßen der Stadt und auch auf dem Land die meisten Frauen unverschleiert antriffst, scheint jedoch keinen noch so frommen Muslim zu stören. Vermutlich weil es sich bei denen ja nur um einfache Weiber und Bedienstete handelt, die hart arbeiten müssen und in einem Harem nichts verloren haben – höchstens als Dienerinnen.« Der Mann gab einen schweren Stoßseufzer von sich. »Verrückt, dass ich mir jetzt ausgerechnet über solche Nichtigkeiten Gedanken mache, wo sich doch schon in der nächsten
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