Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
der Templer mit ihren in luftiger Höhe thronenden Löwen ragte jenseits der Baumspitzen in den Himmel auf. Die sehr gedrungen wirkende Kirche St. Joseph von Arimathäa war als doppeltes Oktagon errichtet worden. Auf einem achteckigen Grundriss erhoben sich die Außenmauern des äußerst schmucklosen Gotteshauses. Einzig leichte Strebepfeiler gliederten die schlichten Backsteinwände. Eine flache Kuppel überspannte das innere Oktagon, das sich mit seinen acht Rundbogenfenstern in seinem Zentrum aus dem Dach erhob und wie ein zu kurz geratener Wehrturm aussah. Fast alle Kirchenfenster sowohl des inneren wie des äußeren Oktagons waren mit Brettern und Holzplatten vernagelt oder nachlässig zugemauert, als wäre kein Geld mehr für Kirchenglas gewesen, darunter auch das dreibogige Fenster der Apsis. Das schlichte Portal mit der schweren Kirchentür verbarg sich hinter einem Baugerüst, das sich halb um die Kirche herumzog. »Deine Erinnerung hat dich nicht getäuscht, Gerolt«, sagte Maurice leise. »Das scheint wirklich noch eine Baustelle zu sein.«
»Aber es sieht mir nicht danach aus, als wäre noch vor Kurzem hier gearbeitet worden. Die Bretter vor den Fenstern sehen schon reichlich verwittert aus, als hätte da schon seit Jahren keiner mehr Hand angelegt«, stellte McIvor mit gefurchter Stirn fest, als sie näher kamen. »Ein sehr merkwürdiger Ort für einen heiligen Mann . . .« Bismillah und Dschullab hielten zielstrebig auf die Stelle zu, wo sich das Portal hinter dem Baugerüst abzeichnete. Sie fanden den schmalen Durchgang, ohne sich an den Stützbalken und Querstreben zu stoßen. Dschullab zog die schwere Kassettentür auf, hinter der sich im Rechteck des offenen Mauerwerks nicht der geringste Lichtschein abzeichnete. »Tretet ein, werte Ritter!«, rief Bismillah ihnen zu und machte eine einladende Geste. »Wir sollten wachsam sein und die beiden keinen Moment aus den Augen lassen!«, raunte Maurice. Von jähem Argwohn gepackt, schob er seinen Umhang auf der linken Seite hinter das Schwertgehänge und legte seine Hand bedeutsam auf den Griff seiner Waffe. Gerolt gab ein leises, nervöses Auflachen von sich. »Ich halte mich nicht gerade für einen schlechten Schwertkämpfer!«, stieß er mit gedämpfter Stimme hervor. »Aber nach dem, was die beiden Braunmäntel vorhin gezeigt haben, würde ich es ungern auf einen Kampf mit ihnen ankommen lassen.« »Dennoch hat Maurice recht, dass wir gewappnet sein sollten«, kam es sogleich von Tarik. »Ich halte es mit den Beduinen, die da sagen: ›Vertraue auf Gott, aber binde zuerst dein Kamel an!‹« Und damit schlug auch er seinen Mantel zurück, um notfalls sofort blankziehen zu können. Wortlos tat McIvor es ihnen gleich. Sein Gesicht war eine Maske grimmiger Entschlossenheit, als hielte auch er es für nicht unwahrscheinlich, dass die beiden Blinden sie in eine Falle zu locken gedachten. In dem Fall würde seine Klinge ebenso schnell in seiner Hand liegen wie bei diesem Bismillah und dann würden die Braunmäntel, egal, mit welch dunklen Mächten sie im Bund standen, den Verrat mit ihrem Blut bezahlen!
3
In seiner Stimme schwang eine Spur Belustigung mit, als Bismillah sagte: »Ihr könnt die Hand ruhig wieder vom Schwert nehmen, werte Ritter. Ihr habt hier nichts zu befürchten. Es gibt keinen sichereren Ort in Akkon, ja im ganzen Heiligen Land, als diese Kirche.« »Geht ihr voran«, brummte Maurice. »Damit erhaltet ihr euch unsere Friedfertigkeit am besten!« Bismillah und Dschullab traten wie verlangt vom Eingang zurück und gingen vor ihnen in die Kirche. Immer noch voller Argwohn und in Bereitschaft, jeden Moment die Schwerter aus den Scheiden zu reißen, folgten ihnen die Tempelritter. Dämmerlicht umhüllte sie, kaum dass sie einige Schritte in das Innere der achteckigen Kirche gemacht hatten. Ohne dass es einer Absprache bedurft hätte, blieben sie erst einmal stehen, um ihre Augen nach der Helligkeit des klaren Sonnentages draußen an die veränderten Lichtverhältnisse zu gewöhnen und sich rasch umzublicken, ob ihnen von irgendwoher Gefahr drohte. Es fiel kaum Tageslicht in die Kirche des heiligen Joseph von Arimathäa, waren von den vielen Fenstern doch fast alle zugemauert oder mit Brettern und Platten verschlossen. Nur hier und da verschaffte sich ein dünner Streifen Licht Einlass durch eine der Ritzen. Der Innenraum bot dem Eintretenden einen völlig kahlen und wie verlassenen Anblick. Wer immer sich hierhin verirrte, der musste das
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