Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
spartanisch eingerich teten Turmzimmers und blickte über die Wälle hinweg zum Lager des Feindes hinüber. »Das sind also die letzten Tage von Akkon und damit auch die letzten Tage eines einst großartigen Kreuzfahrerreiches, das nun völlig ausgeblutet ist!«, stellte er voller Bitterkeit fest. »Aber es hätte nicht so kommen müssen, der Herr ist mein Zeuge! Mehr als einmal lag es in unserer Hand, diese Schmach abzuwenden!« Er ballte die Faust und hieb wütend auf den Fenstersims. Gerolt und seine Freunde warfen sich verwunderte Blicke zu, verharrten jedoch in respektvollem Schweigen. Wenn sie alle auch ritterlicher Abstammung waren, so nahm sich ihr Stammbaum doch neben dem ihres Großmeisters ausgesprochen minderwertig aus. Guillaume von Beaujeau, der schon seit achtzehn Jahren an der Spitze des Templerordens stand, entstammte dem Hochadel und war sogar mit dem französischen König verwandt. »Und habe ich nicht immer wieder meine mahnende Stimme erhoben und eindringlich davor gewarnt, dass es so kommen wird, weil el-Ashraf Khalil nicht daran denkt, den zehnjährigen Friedensvertrag zu halten, den wir mit seinem Vater geschlossen hatten?«, fuhr der Großmeister zornig fort und hämmerte mit seiner Faust erneut auf den Fenstersims. Wie zum Hohn krachte im selben Augenblick ein Felsgeschoss aus einer der Riesenschleudern gegen die vorderen Befestigungsanlagen, gefolgt von bersten dem Mauerwerk. »Ich hatte doch mit Emir el-Fakhri einen verlässlichen Spion unter den Feinden, der mich von den wahren Absichten des Sultans unterrichtete, nämlich dass nicht Afrika das Ziel seines Kriegszuges sei, sondern die letzten Bastionen der Kreuzfahrer im Heiligen Land! Aber man wollte mir keinen Glauben schenken und hat sich in Sicherheit gewähnt.« Maurice verdrehte die Augen und nahm sich in seiner Ungeduld nun die Freiheit, sich zu Wort zu melden. »Erlaubt mir den Hinweis, Beau Sire, dass auch sein Vater, Sultan Qalawun, mit uns ein falsches Spiel getrieben und sein Wort gebrochen hat. Er ist es doch gewesen, der den Kriegszug schon im letzten Sommer vorbereitet und in Gang gesetzt hat!« Guillaume von Beaujeau, ein Mann von gut sechzig Jahren und für sein Alter noch immer von kräftiger Statur, wandte sich nun zu ihnen um. Sein Gesicht unter dem langen eisengrauen und stark verfilzten Vollbart wirkte blass und eingefallen, aber in seinen Augen loderte noch immer das Feuer eines Kriegers. »Gewiss, auch er ist wortbrüchig geworden!«, räumte er widerstrebend ein, während er sich vom Fenster abwandte und zu ihnen trat. »Aber doch erst nach dem unseligen Massaker dieser betrunkenen Bande von italienischen Kreuzfahrern an den Muselmanen in den Mauern unserer Stadt!« Gerolt erinnerte sich noch gut an das entsetzliche Gemetzel, von dem der Großmeister sprach. Im Vertrauen darauf, dass der ausgehandelte Waffenstillstand zwischen dem Sultan und den Kreuzfahrern von beiden Seiten eingehalten wurde, hatten die Kaufleute von Damaskus und aus anderen syrischen Städten damals ihre Handelskarawanen wieder zur Küste geschickt. Auch muslimische Bauern und Handwerker aus dem Umland wagten sich wieder in großer Zahl nach Akkon. Im August 1290, als frisch angeworbene italienische Kreuzfahrer eintrafen, herrschte daher wieder blühender Wohlstand und Handel in der Stadt. Doch mit der Ankunft der italienischen Kreuzfahrer, die sich vom Augenblick ihrer Landung an als ein Haufen zügelloser und streitsüchtiger Trunkenbolde erwiesen, sollte sich das friedliche Zusammenleben von Christen und Moslems rasch ändern. Da die Männer, entgegen der ihnen in der Heimat erteilten Zusage, keinen regelmäßigen Sold erhielten, wuchsen bei ihnen dumpfer Groll und das Verlangen nach Plünderung der ihnen verhassten Muslims mit jedem Tag. Ende August brach die angestaute Unzufriedenheit in offener Gewalt gegen die Ungläubigen aus. Später wurde das Gerücht gestreut, ein muslimischer Kaufmann habe eine junge Christin verführt und damit habe das Blutbad seinen Anfang genommen. Andere sprachen von einem wüsten Zechgelage, bei dem die betrunkenen Männer den Entschluss gefasst hätten, sich endlich als Kreuzfahrer zu erweisen und die Stadt von den Ungläubigen zu säubern. Jedenfalls stürmte die blutrünstige Truppe im Zustand der Trunkenheit, johlend und Schwerter schwingend, durch die Straßen und metzelte jeden Muslim nieder, der das Unglück hatte, ihnen in den Weg zu laufen. Aber auch viele Christen, die sie in ihrem betrunkenen
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