Die Bruderschaft
Geräuschkulisse entstand, die an die erste Welle eines Sturmangriffs erinnerte. Macht euch bereit. Macht euch bereit für einen Krieg. Wählt Lake, bevor es zu spät ist.
Der Vorstandsvorsitzende umarmte Lake, als wären sie uralte Freunde - dabei waren sie sich zwei Stunden zuvor zum ersten Mal begegnet. Dann trat der Vorstandsvorsitzende ans Rednerpult und wartete, bis der Lärm sich gelegt hatte. Er zog ein Blatt mit Notizen hervor, die man ihm am Vortag gefaxt hatte, und begann mit einer weitschweifigen und ziemlich wohlwollenden Vorstellung Aaron Lakes, des zukünftigen Präsidenten. Auf Zeichen wurde er fünfmal durch Applaus unterbrochen.
Lake winkte wie ein siegreicher Held und wartete einige Sekunden, bevor er ans Mikrofon trat und verkündete: »Mein Name ist Aaron Lake und ich bewerbe mich um das Amt des Präsidenten.« Noch mehr donnernder Applaus. Noch mehr Marschmusik. Noch mehr Luftballons.
Als er lange genug gewartet hatte, begann er mit seiner Rede. Sein Thema, sein Programm, sein einziger Grund für die Kandidatur war die nationale Sicherheit und er schnurrte die bestürzenden Zahlen herunter, die bewiesen, wie gründlich die gegenwärtige Regierung das Militär vernachlässigt hatte. Kein anderes Thema sei von vergleichbarer Bedeutung, sagte er mit schonungsloser Offenheit. Das Land brauche nur in einen Krieg verwickelt zu werden, den es nicht gewinnen könne, und schon würden die alten Streitigkeiten über die Abtreibung, die Rassenfrage, die Waffenkontrolle, die Förderung von Minderheiten, die Steuergesetzgebung nebensächlich sein. Traditionelle Familienwerte seien in Gefahr? Sobald Soldaten im Kampf fielen, werde man Familien mit echten Problemen sehen.
Lake war sehr gut. Er hatte die Rede selbst geschrieben. Seine neuen Berater hatten sie bearbeitet, einige Spezialisten hatten daran gefeilt und gestern Abend hatte er sie dann Teddy Maynard im Bunker von Langley vorgetragen. Teddy hatte nur noch ein paar kleine Änderungen vorgenommen und sie abgesegnet.
Teddy saß zugedeckt im Rollstuhl und sah mit großem Stolz den Bericht über die Veranstaltung. York war bei ihm und schwieg wie gewöhnlich. Die beiden saßen oft allein im Bunker, starrten auf Leinwände und sahen zu, wie die Welt immer gefährlicher wurde.
Irgendwann sagte York leise: »Er ist gut.«
Teddy nickte und verzog das Gesicht sogar zu einem kleinen Lächeln.
Etwa in der Mitte seiner Rede wurde Lake herrlich wütend auf die Chinesen. »Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre haben wir sie vierzig Prozent unseres geheimen atomaren Wissens stehlen lassen!« sagte er und die Arbeiter zischten.
»Vierzig Prozent!« rief er.
In Wirklichkeit waren es eher 50 Prozent, doch Teddy hatte beschlossen, die Zahl ein wenig niedriger anzusetzen. Die CIA hatte für die erfolgreiche chinesische Agententätigkeit bereits genug Prügel bekommen.
Fünf Minuten lang stellte Lake die Chinesen, ihre Spionagetätigkeit und ihre beispiellose Aufrüstung an den Pranger. Diese Strategie hatte Teddy sich ausgedacht: Er sollte nicht die Russen, sondern die Chinesen gebrauchen, um den amerikanischen Wählern Angst einzujagen. Der wahre Feind, die wahre Bedrohung sollte erst im Lauf des Wahlkampfs enthüllt werden.
Lakes Timing war nahezu perfekt. Am Schluss seiner Rede stand der Hangar Kopf. Als er versprach, den Militärhaushalt in den ersten vier Jahren seiner Amtszeit zu verdoppeln, brachen die 4000 Arbeiter und Angestellten des Unternehmens, das Kampfhubschrauber herstellte, in wilden Jubel aus.
Teddy sah schweigend zu und war sehr stolz auf seinen Kandidaten. Sie hatten es geschafft, den Vorwahlen in New Hampshire die Schau zu stehlen, indem sie sie einfach ignoriert hatten. Lakes Name hatte dort nicht auf der Liste gestanden und er war seit Jahrzehnten der erste Kandidat, der mit Genugtuung auf diese Tatsache hingewiesen hatte. »Wen interessiert denn schon die Vorwahl in New Hampshire?« wurde er zitiert. »Ich werde im ganzen Rest des Landes gewinnen.«
Lake verabschiedete sich von den jubelnden Arbeitern und schüttelte noch einmal die Hände der Bosse auf der Bühne. Der CNN-Reporter gab wieder zurück ins Studio, wo Journalisten und Kommentatoren die nächsten fünfzehn Minuten damit verbringen würden, den Zuschauern zu erklären, was sie gerade gesehen hatten.
Teddy drückte ein paar Knöpfe auf dem Tisch und auf der Leinwand erschien ein neues Bild. »Hier ist der fertige Spot«, sagte er. »Unser erster.«
Es war ein
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