Die Bruderschaft
zwei Hardcore-Magazinen in neutralen braunen Umschlägen und einem Brief, der ihm entfernt bekannt vorkam. Es war ein gelbes Kuvert ohne Absender, abgestempelt in Atlantic Beach, Florida. Ach, ja, jetzt fiel es ihm wieder ein: der junge Percy, der in der Drogenklinik saß.
In seinem kleinen Büro zwischen der Küche und der Besenkammer blätterte er die Magazine flüchtig durch, fand nichts Neues und legte sie auf den Stapel zu den hundert anderen. Dann öffnete er den Brief von Percy. Wie die beiden vorigen war er handgeschrieben und an Walt adressiert, den Namen, den er für seine Porno-Post benutzte. Walt Lee.
Lieber Walt!
Über deinen Brief habe ich mich sehr gefreut. Ich habe ihn viele Male gelesen.
Du findest immer die richtigen Worte. Wie ich dir schon geschrieben habe, bin ich seit fast achtzehn Monaten hier und fühle mich sehr einsam. Ich bewahre deine Briefe unter meiner Matratze auf, und wenn die Einsamkeit zu groß wird, hole ich sie hervor und lese sie immer wieder. Wo hast du gelernt, so zu schreiben? Bitte schreib mir noch einen, so schnell wie möglich.
Mit ein bisschen Glück werde ich im April entlassen. Ich weiß noch nicht, was ich dann machen soll und wohin ich gehen werde. Der Gedanke, dass ich nach fast zwei Jahren in dieser Klinik einfach rausgehen kann, macht mir eigentlich Angst. Ich weiß ja nicht, wo ich hin soll. Ich hoffe, dass wir dann noch Brieffreunde sind.
Ich frage dich wirklich nicht gerne, aber da ich niemand sonst habe, an den ich mich wenden kann, tue ich es trotzdem, und wenn du nicht willst, dann sag es bitte, es wird unserer Freundschaft keinen Abbruch tun. Könntest du mir 1000 Dollar leihen? Es gibt hier in der Klinik einen kleinen Laden für Bücher und CDs. Dort kann man auch auf Kredit kaufen, und weil ich schon ziemlich lange hier bin, hat sich da eine ganz schöne Rechnung angesammelt.
Wenn du mir das Geld leihen könntest, wäre ich dir wirklich sehr dankbar. Wenn nicht, kann ich das natürlich auch verstehen.
Danke, dass du da bist, Walt. Bitte schreib mir bald. Deine Briefe geben mir Kraft.
Liebe Grüße, Percy
1000 Dollar? Was war das für ein kleiner Scheißer? Coleman roch eine Falle. Er zerriss den Brief in kleine Fetzen, die er in den Papierkorb warf.
»Tausend Dollar«, murmelte er und griff wieder nach den Magazinen.
Curtis war nicht der echte Name des Juweliers aus Dallas. So nannte er sich nur in seinen Briefen an Ricky in der Drogenklinik. In Wirklichkeit hieß er Vann Gates.
Mr. Gates war achtundfünfzig, oberflächlich betrachtet glücklich verheiratet, dreifacher Vater und zweifacher Großvater. Ihm und seiner Frau gehörten in Dallas sechs Juweliergeschäfte, die allesamt in Einkaufszentren lagen. Auf dem Papier besaßen sie zwei Millionen Dollar, und die hatten sie sich selbst verdient. Sie bewohnten ein sehr schönes Haus in Highland Park, mit getrennten Schlafzimmern an gegenüberliegenden Enden, und trafen sich nur in der Küche und im Wohnzimmer, wo sie vor dem Fernseher saßen oder mit den Enkelkindern spielten.
Hin und wieder öffnete Mr. Gates die Kammer, in der er seine wahre Neigung versteckte, allerdings nur unter äußersten Sicherheitsvorkehrungen. Niemand wusste davon. Sein Briefwechsel mit Ricky war sein erster Versuch, echte Liebe in den Kleinanzeigen zu finden, und bisher war er von dem Ergebnis begeistert. Er hatte in einem Postamt nicht weit von einem der Einkaufszentren ein Postfach gemietet und benutzte den Namen Curtis V. Gates. Als Vann sich in seinen Wagen setzte und den lavendelfarbenen, an Curtis Gates adressierten Umschlag öffnete, ahnte er nichts Böses: Er hatte wieder einen schönen Brief von seinem geliebten Ricky bekommen. Doch schon die ersten Zeilen trafen ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Lieber Vann Gates!
Schluss mit dem Schmus. Ich heiße nicht Ricky und du heißt nicht Curtis. Ich bin kein schwuler junger Mann auf der Suche nach Liebe. Du dagegen hast ein schreckliches Geheimnis, das du sicher bewahren willst. Dabei will ich dir helfen.
Hier ist mein Angebot: Du überweist 100000 Dollar an die Geneva Trust Bank auf den Bahamas, Konto Nummer 144-DXN-9593. Der Empfänger heißt Boomer Realty, Ltd., die Bankleitzahl lautet 392844-22.
Verlier keine Zeit! Das ist kein Witz, sondern eine Erpressung, und du bist in die Falle gegangen. Wenn das Geld nicht innerhalb von zehn Tagen auf dem Konto eingegangen ist, schicke ich deiner Frau Glenda ein Päckchen mit den Kopien aller Briefe und
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