Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft

Die Bruderschaft

Titel: Die Bruderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
antwortete er lächelnd.
    »Das hat aber ganz schön lange gedauert«, sagte sie und fegte.
    Er war es so leid! Sie beobachtete alles, was er tat. Seit dreißig Jahren war er unter ihrer Fuchtel und in ihrer Hand tickte die Stoppuhr.
    Aus Gewohnheit gab er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und dann ging er in den Keller, verschloss die Tür und begann wieder zu weinen. Dieses Haus war sein Gefängnis (wie sonst sollte er ein Haus nennen, das ihn jeden Monat 7800 Dollar an Hypothekentilgung kostete?), und sie war seine Wärterin, die Bewahrerin der Schlüssel. Sein einziger Fluchtweg war ihm gerade verstellt worden, und zwar durch einen kaltblütigen Erpresser.

ZWÖLF
    Achtzig Särge brauchten eine Menge Platz. Sie waren ordentlich aufgereiht, alle gleich groß, alle hübsch verpackt in Rot, Weiß und Blau. Vor einer halben Stunde waren sie an Bord eines Transportflugzeugs der Air Force eingeflogen und mit großem Pomp zeremoniell entladen worden. An die 1000 Freunde und Verwandte saßen auf Klappstühlen, die auf dem Betonboden des Hangars aufgestellt worden waren, und starrten entsetzt auf das Meer aus amerikanischen Fahnen, das sich vor ihnen ausbreitete. Ihre Zahl wurde nur durch die der Journalisten übertroffen, die hinter der Absperrung der Militärpolizei standen. Selbst für ein Land, das sich an die katastrophalen Folgen seiner Außenpolitik gewöhnt hatte, war dies ein beeindruckender Anblick. Achtzig Amerikaner, acht Briten, acht Deutsche - und keine Franzosen, weil diese die diplomatischen Empfänge westlicher Botschaften in Kairo boykottierten. Warum waren um zehn Uhr abends noch achtzig Amerikaner in der Botschaft gewesen? Das war die Frage, die sich jeder stellte, und bislang wusste niemand eine gute Antwort darauf. Die meisten von denen, die solche Entscheidungen trafen, lagen jetzt in diesen Särgen. In Washington kursierte das Gerücht, der Partyservice habe zu spät geliefert, und die Band sei noch später gekommen.
    Doch die Terroristen hatten nur zu gut bewiesen, dass sie jederzeit zuschlagen konnten, und darum war es völlig gleichgültig, um welche Uhrzeit der Botschafter, seine Frau, seine Kollegen und das Botschaftspersonal einen Empfang hatten veranstalten wollen.
    Die zweite große Frage, die man sich stellte, lautete: Wieso waren eigentlich achtzig Menschen in der Botschaft in Kairo gewesen? Das Außenministerium wusste keine Antwort darauf.
    Nachdem die Air Force Band einen Trauermarsch gespielt hatte, trat der Präsident an das Rednerpult. Er sprach mit brechender Stimme und rang sich sogar ein, zwei Tränen ab, aber nach acht Jahren solcher Darbietungen hatte sich diese Theatralik etwas abgenutzt. Er hatte bereits oft Rache geschworen und so konzentrierte er sich auf andere Themen: Trost, Opferbereitschaft und die Verheißung eines besseren Lebens im Jenseits.
    Der Außenminister verlas die Namen der Opfer - eine morbide Rezitation, die die Feierlichkeit der Stunde unterstreichen sollte. Das Schluchzen wurde lauter. Dann noch etwas Musik. Die längste Rede hielt der Vizepräsident, der frisch aus dem Wahlkampf kam und von einer neu entdeckten Entschlossenheit erfüllt war, den Terrorismus vom Angesicht der Erde zu tilgen. Obgleich er nie eine Uniform getragen hatte, schien er darauf zu brennen, mit Granaten um sich zu werfen.
    Lake hatte sie alle aufgeschreckt.
    Aaron Lake verfolgte die Zeremonie während des Fluges von Tucson nach Detroit, wo er längst für eine weitere Serie von Interviews erwartet wurde. An Bord war sein persönlicher Demoskop, ein kürzlich angeheuerter Zauberer, der ihn seit neuestem überall hin begleitete. Während Lake und sein Team die Nachrichten verfolgten, arbeitete dieser Mann fieberhaft an dem kleinen Konferenztisch, der mit zwei Laptops, drei Telefonen und mehr Computerausdrucken beladen war, als zehn Leute verarbeiten konnten. Die Vorwahlen in Arizona und Michigan würden in drei Tagen stattfinden und Lakes Werte stiegen, besonders in seinem Heimatstaat, wo er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Favoriten, Gouverneur Tarry aus Indiana, lieferte. In Michigan lag Lake um zehn Prozent zurück, aber die Leute hörten ihm aufmerksam zu. Die Katastrophe in Kairo arbeitete zu seinen Gunsten.
    Gouverneur Tarry brauchte plötzlich dringend Geld. Aaron Lake nicht. Er bekam es schneller, als er es ausgeben konnte.
    Als der Vizepräsident endlich fertig war, verließ Lake seinen Platz vor dem Fernseher, setzte sich in seinen Lederdrehsessel und griff nach

Weitere Kostenlose Bücher