Die Bruderschaft
äußerst dringlich, und nach fast 40 Minuten öffnete sich seine Tür einen Spaltbreit. Mr. Garbe sah aus, als hätte er geweint. Er war bleich und zittrig und gab sich nicht einmal den Anschein höflicher Freude über den Besuch. Dennoch bat er sie herein, war aber offenbar zu erschüttert, um sie nach ihren Dienstausweisen zu fragen. Er konnte sich nicht einmal ihre Namen merken.
Er setzte sich an seinen großen Schreibtisch und sah die beiden Männer an, die ihm gegenübersaßen und sich glichen wie ein Ei dem anderen. »Was kann ich für Sie tun?« fragte er mit einem sehr schmalen Lächeln.
»Ist die Tür verschlossen?« fragte Chap.
»Natürlich.« Die beiden Zwillinge hatten den Eindruck, dass sich der größte Teil von Mr. Garbes Arbeitstag hinter verschlossenen Türen abspielte.
»Kann uns jemand hören?« fragte Wes.
»Nein.« Quince wurde immer verwirrter.
»Wir haben Sie angelogen«, sagte Chap. »Wir sind nicht von der Bundesbank.«
Quince wusste nicht, ob er wütend oder erleichtert oder noch ängstlicher sein sollte, als er ohnehin schon war, und so saß er einfach da, erstarrt, mit offenem Mund, und wartete auf den Gnadenschuss.
»Es ist eine lange Geschichte«, sagte Wes.
»Sie haben fünf Minuten.«
»Nein, wir haben so viel Zeit, wie wir wollen.«
»Sie sind hier in meinem Büro. Hinaus mit Ihnen.«
»Nicht so eilig. Wir wissen einiges.«
»Ich werde den Sicherheitsdienst rufen.«
»Nein, das werden Sie nicht.«
»Wir haben den Brief gelesen«, sagte Wes. »Den Brief, den Sie gerade aus Ihrem Postfach geholt haben.«
»In meinem Postfach waren mehrere Briefe.«
»Aber nur einer von Ricky.«
Quince ließ die Schultern hängen und schloss langsam die Augen. Dann öffnete er sie wieder und sah seine beiden Peiniger mit einem Ausdruck völliger Verzweiflung an. »Wer sind Sie?« murmelte er.
»Jedenfalls keine Feinde.«
»Sie arbeiten für ihn, stimmt’s?«
»Für wen?«
»Für Ricky, wer immer das ist.«
»Nein«, sagte Wes. »Wir arbeiten gegen ihn. Sagen wir einfach, wir haben einen Klienten, der mehr oder weniger in derselben Situation ist wie Sie. Er hat uns beauftragt, ihn zu schützen.«
Chap zog einen dicken Umschlag aus der Manteltasche und warf ihn auf den Schreibtisch. »Hier sind fünfundzwanzigtausend Dollar in bar. Überweisen Sie die an Ricky.«
Quince starrte den Umschlag mit offenem Mund an. Ihm gingen so viele Gedanken durch den Kopf, dass ihm schwindelte. Also kniff er die Augen zusammen und versuchte vergeblich, sich zu konzentrieren. Es spielte keine Rolle, wer sie waren. Wie hatten sie den Brief gelesen? Warum boten sie ihm Geld? Wie viel wussten sie?
Er konnte ihnen jedenfalls nicht trauen.
»Das Geld gehört Ihnen«, sagte Wes. »Als Gegenleistung wollen wir einige Informationen.«
»Wer ist Ricky?« fragte Quince und öffnete die Augen einen Spaltbreit. »Was wissen Sie über ihn?« fragte Chap. »Dass er nicht Ricky heißt.«
»Stimmt.«
»Dass er im Gefängnis sitzt.«
»Stimmt«, sagte Chap abermals.
»Er behauptet, dass er Frau und Kinder hat.«
»Stimmt zum Teil. Seine Frau ist eine Ex-Frau. Sie haben gemeinsame Kinder.«
»Er behauptet, sie hätten kein Geld, und darum müsse er Leute erpressen.«
»Stimmt nicht ganz. Seine Frau ist ziemlich reich und die Kinder haben sich auf ihre Seite geschlagen. Wir wissen nicht, warum er Leute erpresst.«
»Aber wir wollen, dass er damit aufhört«, fügte Chap hinzu. »Und dazu brauchen wir Ihre Hilfe.«
Quince wurde plötzlich bewusst, dass er zum ersten Mal in den einundfünfzig Jahren seines Lebens zwei Menschen gegenübersaß, die wussten, dass er homosexuell war. Er war entsetzt. Einen Augenblick lang wollte er alles leugnen und eine Geschichte erfinden, wie es zu seinem Briefwechsel mit Ricky gekommen war, doch ihm fiel einfach nichts ein. Er war zu verängstigt, um irgendwelche Ideen zu haben.
Dann wurde ihm bewusst, dass diese beiden Unbekannten ihn ruinieren konnten. Sie kannten sein kleines Geheimnis und hatten die Macht, sein Leben zu zerstören.
Und doch boten sie ihm 25000 Dollar in bar an.
Der arme Quince bedeckte die Augen mit den Händen und sagte: »Was wollen Sie?«
Chap und Wes dachten, er werde jeden Augenblick losheulen. Nicht dass sie das sehr gestört hätte, aber es bestand keine Notwendigkeit dazu. »Unser Angebot sieht so aus, Mr. Garbe«, sagte Chap. »Sie nehmen das Geld, das da auf Ihrem Schreibtisch liegt, und sagen uns alles, was Sie über Ricky wissen. Sie
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