Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
Sollen sie alle brennen. Bleib du hier und gesund, Junge. Das ist mein Rat. Befolge ihn oder lass es bleiben.« Sie runzelte die Stirn. »Versucht dein Vater immer noch, dich mit diesem wichtigtuerischen Beler-Gör zu verkuppeln?«
»Ähm, ja.«
»Wusst ich’s doch. Verschwende dich nicht an sie, Junge. Höre ich da draußen deinen diebischen silacischen Freund?«
»J-ja. Gouverneur Vult war bei den Prüfungen anwesend. Beim ersten Teil zumindest.«
»Belonius Rukker Vult?« Sie beugte sich nach vorn. »Dieser doppelzüngige Speichellecker hat uns in Lukhazan alle verkauft. Ich würde ihm nicht mal einen Wurf Kätzchen anvertrauen.«
Alaron gab den Versuch auf, eine normale Unterhaltung zu führen, und schaute sich in der Wohnstube um. Die Fenster waren so dreckig, dass man kaum nach draußen sehen konnte. Das Feuer im Kamin brannte viel zu hoch und war unangenehm heiß. Wie jedes Mal wünschte er sich, er wäre gar nicht erst gekommen.
Schließlich kam Ramon herein. Er schwitzte noch vom Pferdeschrubben. »Guten Morgen, Dame Tesla. Ich habe ein Windschiff über dem Tal gesehen, es kommt von Nordosten. Wird die Route jetzt regelmäßig befahren?«
»Nein, sobald sie hier sind, drehen sie ab und fliegen das Kedrontal hinauf nach Bricia. Die Navigatoren müssen heutzutage alle blind sein.« Sie schnaubte verächtlich.
»Komm und schau dir das an, Al«, sagte Ramon. »Sieht aus wie eins von der Norosteinflotte.«
Sie sahen zu, dass sie nach draußen kamen.
»Wie geht’s ihr?«, flüsterte Ramon.
»Gut«, antwortete Alaron. »Sie ist halbwegs bei Laune.« Das stimmte sogar: Bis jetzt hatte Tesla ihn weder einen undankbaren Schuft genannt noch ihn anderweitig beschimpft.
Draußen hoben sie die Hand über die Augen und blinzelten die Silhouette an, die auf das Haus zugeflogen kam.
»Was wollen die hier?«, murmelte Alaron verwundert. »Hier gibt es nichts. Wenn sie nicht bald ein bisschen aufsteigen, schrammen sie sich an den Baumkronen noch den Kiel auf.« Er kniff die Augen zusammen. »Das ist ein Landesignal!«, rief er überrascht und deutete auf einen Matrosen, der mit einer Dreiecksflagge winkte.
»Rukka mio, du hast recht«, keuchte Ramon.
Der Schatten des Windschiffs fiel auf sie, und ein riesiger Anker kam rasselnd heruntergesaust. Er bohrte sich in die Erde und riss die vermooste Wiese auf, bis er endlich festen Halt fand und das Schiff zum Stehen kam. Rufe ertönten, die Matrosen holten die Segel ein, Leitern wurden herabgelassen, und ein Trupp Soldaten, angeführt von einem Feldwebel, kletterte herab.
»Wir sind auf der Suche nach der Dame Tesla Anborn«, sagte er. »Ist dies ihr Anwesen?«
»Ja, Herr«, erwiderte Alaron eifrig. Er wollte einen möglichst guten Eindruck machen. »Sie ist drinnen. Ich bin ihr Sohn.«
Der Feldwebel war ein älterer Mann mit Bartstoppeln und fleischigen Wangen. Er sah einigermaßen freundlich aus. »Vanns Sohn, nicht wahr? Mein Name ist Harft, ich kenne deinen Pap.« Zum Windschiff rief er hinauf: »Wir sind da, Großmagister. Sie ist im Haus.«
»Hervorragend.« Ein Magus kam leichtfüßig aus dem Schiff gesprungen und schwebte sanft wie eine Feder bis zum Boden hinab – seine Kontrolle über die Gnosis war beeindruckend. Er war mittleren Alters, hatte eine beginnende Glatze und einen Bauchansatz. Seine Robe war tiefrot und mit Gold besetzt, um den Hals hing eine schwere Kette: ein Ratsmagus. Alaron glaubte, ihn wiederzuerkennen, konnte sich aber nicht an den Namen erinnern.
»Wer sind die beiden Jungen, Harft?«
»Ich bin Alaron Merser, Herr«, erwiderte Alaron. »Das ist mein Freund Ramon Sensini. Wir sind Gnosisschüler, Herr.«
Als der Ratsmagus Ramons fremdländischen Namen hörte, inspizierte er ihn aus zusammengekniffenen Augen. Sein Blick wanderte zurück zu Alaron. »Meine Angelegenheiten hier betreffen deine Mutter«, erklärte er barsch. »Ratsangelegenheiten.«
Alaron fragte sich, um was es dabei gehen könnte. »Meine Mutter ist gebrechlich, Herr. Ich werde Euch zu ihr bringen.«
Der Magus zuckte die Achseln. »Nun gut. Dein Freund kann hier warten. Ich bin Großmagister Eli Besko. Du wirst von mir gehört haben.« Mit langen Schritten ging er Richtung Haus.
Alaron warf Ramon einen besorgten Blick zu, dann eilte er hinterher. Der Feldwebel brummte irgendetwas und folgte den beiden.
An der Tür blieb der Großmagister stehen, damit Alaron sie für ihn öffnen konnte, dann schritt er ins Haus, ohne Gredken auch nur eines Blicks zu
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