Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
wert.« Der Magus kam noch einmal ganz nah heran. »Hast du gehört, Junge? Du bist es nicht wert und wirst es nie sein.« Er wandte sich endgültig zur Tür. »Am Dreißigsten, alte Hexe«, wiederholte er, dann war er weg.
Harft ließ Alaron los und achtete darauf, dass er stehen konnte. »Alles in Ordnung, Bursche?«
Alaron versuchte zu sprechen, aber sein Kehlkopf schmerzte zu sehr. Er nickte.
»Es tut mir aufrichtig leid. Ich hatte keine Ahnung, worum es bei diesem Besuch geht. Es tut mir leid, edle Dame.«
»Verschwinde, Harft«, keifte Tesla, dann setzte sie mit etwas sanfterer Stimme hinzu: »Und richte Magrie Grüße von mir aus.«
Harft nickte. »Ja, edle Dame.«
Alaron setzte sich auf den Boden und massierte seinen Hals.
»Hast also doch das Familientemperament geerbt, wie?«, meinte Tesla. »Vielleicht gibt es tatsächlich noch Hoffnung für dich. Aber Verstand hast du genauso wenig wie deine Tante.«
»Wa…?«, krächzte Alaron, als der Schmerz etwas nachgelassen hatte. »Was hat Tante Elena denn getan?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, schnaubte Tesla. »Was Volsai eben so tun. Nichts als verschlagene Rukker, jeder Einzelne von ihnen. Deine Tante passt bestens zu diesem Haufen Abschaum. Sie war schon immer eine herzlose kleine Hure. Aber mit dem Messer kann sie umgehen. Ich hoffe, sie hat ein paar von ihnen nach Hel geschickt.«
Die Stadthalle von Norostein war randvoll mit den Reichen und angesehenen Bürgern der Stadt, vor allem den Magi. Dies war der Abend, an dem die Nachfahren der Gesegneten Dreihundert all ihren Reichtum zur Schau tragen konnten, der Abend, an dem die Absolventen des Arkanums im Schoß der Gemeinschaft willkommen geheißen würden. Hochzeitsbande würden geschmiedet oder bestätigt und der Grundstein für vielversprechende Karrieren gelegt. Reiche Nichtmagi paradierten mit ihren Kindern auf und ab in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit eines der jungen Männer oder einer der jungen Frauen zu erregen, die im Mittelpunkt des Geschehens standen: Der Abend gehörte ganz den frischgebackenen Magi.
Normalerweise hatte der Gouverneur den Vorsitz, aber da Staatsangelegenheiten seine Anwesenheit im Winterpalast in Bres erforderten, ließ er sich vom norischen König vertreten. Seit der Revolte war der König zwar nicht mehr als eine Marionette, dennoch war der zweiundzwanzigjährige Thronfolger in der Öffentlichkeit hoch angesehen. Sein Vater war nach der Revolte hingerichtet worden, und er selbst hatte den größten Teil seines Lebens unter Hausarrest im Palast von Lukhazan verbracht. Neiderfüllt beäugte der eher scheue junge Mann die wahren Machthaber seines Königreichs.
Alaron trug seine beste graue Robe. Sein Haar war frisch geschnitten und schimmerte rötlich im Licht der Gnosislampen, mit denen der Saal geschmückt war. Auch sein Vater war da. Tesla wohnte immer noch auf ihrem Landsitz, nachdem Vann beim Rat einen Antrag auf Fristverlängerung gestellt hatte. Die eingereichten Unterlagen bewiesen außerdem, dass Elenas Geld ganz legal geschenkt worden war und deshalb nicht konfisziert werden konnte. Also konnte Tesla Anborn auch nicht aus dem Haus gejagt werden. Dennoch würden sie ohne Elenas regelmäßige Zahlungen das Haus nicht halten können, was es umso wichtiger machte, dass Alaron jetzt mit der Magusschule fertig war.
Ramon stand neben Alaron. Auch er trug seine schönste Sabadag-Robe, aber im Vergleich zu den Reinen in ihren golddurchwobenen Hosen und Wamsen, den schweren Ringen an den Fingern und den feinen, auf Hochglanz polierten Lederstiefeln verblassten sie beide zu vollkommener Bedeutungslosigkeit.
Seufzend sahen die Frauen Malevorn, Seth und Francis nach, wenn sie vorbeiflanierten, sich vor den Abschlusskandidatinnen des Mädchenarkanums verneigten, Hände küssten und schillernde Komplimente verteilten, die den Mädchen ein ebenso verlegenes wie falsches Lächeln entlockten.
Alaron beobachtete angewidert die Schmeicheleien. Als er die Belers erblickte, versteckte er sich hinter einer Säule, aber es war zu spät. Gina machte sich mit ernstem Blick von ihrem Vater los und ging auf Alaron zu. Das glatte blonde Haar hatte sie zu einem altmodischen Dutt geknotet, als beabsichtige sie, vom Schulmädchen direkt zur Matrone zu werden.
»Hallo, Alaron«, sagte sie und hielt ihm die Hand hin. Gina trug ein grün-goldenes Samtkleid mit einem so tiefen Ausschnitt, dass selbst Alaron sich dem Anblick nicht ganz entziehen konnte.
»Ja, hallo«,
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