Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
beinahe jede Minute gemeinsam. Erst später merkte Alaron, dass Ramon ihm nicht von der Seite wich, damit er sich nichts antat wie fast jeder Zurückgewiesene in der Vergangenheit. Aber sein Freund konnte nicht ewig bei ihm bleiben. Er musste nach Silacia zurückkehren, seine Mutter sehen und ein paar Angelegenheiten regeln, bevor seine Dienstzeit in der Legion anbrach.
»Wahrscheinlich bin ich schon verheiratet, bevor ich überhaupt dort bin«, witzelte Ramon vor seiner Abreise, aber der Scherz erinnerte Alaron nur daran, wie die Belers über Nacht von der Bildfläche verschwunden waren. Er schaffte es nicht einmal, zum Abschied zu winken.
Die Festlichkeiten zu Corineus’ Geburt gingen unbemerkt an ihm vorbei. Vann hatte alle Geschenke kaufen müssen, weil Alaron nicht wagte, das Haus zu verlassen. Die Leute draußen waren auf einen zurückgewiesenen Magus nicht gut zu sprechen. Für die Verbrecher der Stadt waren sie wehrlose Opfer, weil die Gesetzeshüter nichts zu ihrem Schutz unternahmen.
Als Vann Merser endlich den Bürgermeister stellen konnte, wurde ihm gesagt, er solle aufhören, kaiserliche Beamte zu belästigen und die Zeit des Rats zu verschwenden. Wütend stapfte er nach Hause und schwor, zum Gouverneur höchstpersönlich zu gehen, sobald dieser aus Bres zurück war.
Alaron rollte sich neben dem Kamin unter seiner Wolldecke zusammen und schloss die Augen. Stundenlang lag er so da, bis das Feuer erlosch.
Kriegsrat
Die Gnosis
Die Gnosis ist die Macht Gottes, den Magi geschenkt, um Kore zu ehren.
Das Buch Kore
Die Kräfte der Magi kommen von Shaitan selbst.
Kalistham , heiliges Buch der Amteh
Die Gnosis ist ein Werkzeug. Weder gibt es einen Beweis, dass Kore oder irgendeine andere Gottheit bei ihrer Entdeckung die Hand im Spiel hatte, noch dafür, dass eine göttliche Macht moralische Kontrolle über jene hätte, die sie ausüben.
Antonin Meiros, Ordo Costruo, 711
Forensa in Javon, Antiopia
Okten/Novelev 927
9–8 Monate bis zur Mondflut
Elena sah, wie Cera sich mit jedem Tag, an dem sie mehr Verantwortung übernehmen musste, etwas veränderte. Sie half, wo sie konnte, aber es gab so viele neue Herausforderungen, Entscheidungen und Krisen, die zu meistern waren. Borsa wurde ihre Ersatzmutter. Sie wischte ihr die Tränen der Trauer, der Frustration und der Wut von den Wangen und kümmerte sich um Timori. Sie sorgte dafür, dass er glücklich war, und hielt ihn von Cera fern, wenn sie sich auf die anstehenden Aufgaben konzentrieren musste. Borsa spürte instinktiv: Jedes Mal, wenn Cera ihren kleinen Bruder in die Arme schloss und beruhigend auf ihn einredete, brauchte sie genau dasselbe. Dieses Beruhigen wurde jedoch immer schwieriger, nachdem sie wochenlang nichts aus Brochena gehört hatten.
Laut Thronfolgegesetz war Timori nun der rechtmäßige König und seine älteren Schwestern die Regentinnen, bis er selbst das sechzehnte Lebensjahr erreichte. Doch allzu oft musste ein Gesetz mit dem Schwert durchgesetzt werden, und ein großer Teil der Nesti-Armee war bei Olfuss in Brochena geblieben. Also wurde Paolo Castellini damit beauftragt, die Nesti in Forensa auf den kommenden Krieg vorzubereiten. Mit glühendem Eifer drillte er seine Männer. Die Bogenscheiben ließ er in den Farben der Gorgio bemalen. Den Soldaten gefiel es.
Dank Elenas gnostischer Heilkünste erholte Lorenzo sich schnell. Sie freute sich über seine Genesung, machte sich aber Sorgen, er könnte das gemeinsam bestandene Abenteuer als Band zwischen ihnen missverstehen. Immer wieder versuchte er, sie ein weiteres Mal zu küssen, aber Elena ließ es nicht zu. Sie wusste nicht recht, weshalb sie ihn abwies, vor allem jetzt, da Gurvon mit Vedya ins Bett ging, aber sie widerstand der Versuchung. Es wäre niederträchtig gewesen, seine Zuneigung so zu missbrauchen.
Auf Lorenzos Anraten wurde Harshal al-Assam als Botschafter zu den Jhafi entsandt. Normalerweise lehnten sich die Jhafi bequem zurück, wann immer die rimonischen Häuser miteinander im Zwist lagen, um sich dann auf die Seite des Siegers zu schlagen.
»Diesmal ist die Situation anders«, erklärte Harshal und fuhr sich nervös über den kahl rasierten Schädel. Er entwarf eine Strategie, wie Cera die Jhafi dauerhaft auf ihre Seite ziehen konnte. »Die Gorgio werden nicht damit rechnen«, erklärte er. Sie verabscheuten die Jhafi, bezeichneten sie als »unterlegene Rasse« und achteten darauf, ihr Blut ja nicht mit dem ihren zu »verunreinigen« – selbst wenn sie sich
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