Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
den Stufen zur Festung begrüßte. »Sie wird Fernando Tolidi heiraten. So wurde es in der Kathedrale von Brochena verkündet.«
Cera senkte entmutigt das Haupt. »Gibt es irgendwelche Anzeichen, dass es gegen ihren Willen geschieht?«, fragte sie so leise, dass Elena direkt hinter ihr die Worte kaum hörte.
»Es tut mir leid, Prinzessin, aber die gibt es nicht. Alfredo hat erklärt, Fernandos Hochzeit mit Solinde würde ihn zum legitimen Herrscher über Forensa machen. Nach der Hochzeit würde er sein Heer ausschicken und sich nehmen, was ihm gehört.«
Sobald sie allein waren, warf Cera schluchzend die Arme um Elenas Hals. »Sie werden versuchen, uns alle umzubringen, Ella. Timi, mich, dich, alle! Sie werden uns umbringen!« Wie ein kleines Kind hielt sie sich an Elena fest.
All ihre Ängste, sie hat sie nur zurückgehalten … Manchmal vergesse ich, dass sie noch ein junges Mädchen ist. Unbehaglich strich Elena ihr übers Haar. Borsa kann das besser als ich , war alles, was sie denken konnte. Laut sagte sie: »Uns wird nichts passieren, Cera. Nächsten Monat tritt der Regentschaftsrat wieder zusammen. Wir werden einen Weg finden, als Sieger aus dieser Tragödie hervorzugehen.«
»Und was, wenn es keinen Weg gibt?«, flüsterte Cera.
Ja, Elena, was dann?
Elena lag auf ihrem Bett in der kleinen Kammer neben dem Kinderflügel. Nur die kleine Lampe neben ihr spendete etwas Licht. Sie hatte ihre Wächter gebannt und hielt einen kleinen Tonklumpen in den Händen – Erdgnosis, um mit Gurvon in Kontakt zu treten. Es war nicht ganz ohne Risiko: Gurvon war ein mächtiger Erdmagus, und wenn sie nicht verdammt aufpasste, konnte er beträchtlichen Schaden anrichten. Aber Elena war noch nie vor einer Gefahr zurückgescheut.
Auf dem Klumpen bildete sich ein Auge, dann noch eines und schließlich ein Mund.
Elena .
Sie hörte das Wort in ihrem Kopf. Die Tonlippen bewegten sich zwar, aber kein Laut drang zwischen ihnen hervor.
Wo bist du, Gurvon? Sie hörte ein leises Echo. Weit weg also .
Sag ich dir nicht. Und du?
In Pallas und treib’s gerade mit dem Kaiser.
Gurvon lachte nicht. Bei Kore, Elena, was tust du?
Ich folge meinem Gewissen. Wie konntest du glauben, ich würde tatenlos zusehen, wie du die Kinder umbringst, die ich all die Jahre beschützt habe?
Deinem Gewissen? Bis jetzt war dein Gewissen immer deine Geldbörse.
Ich habe etwas gefunden, das mehr wert ist als Geld, Gurvon. Du würdest es nicht verstehen.
Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie reich wir sind? Reicher als die reichsten Könige! Endlich können wir das Leben führen, von dem wir immer geträumt haben. Erinnerst du dich an das Haus neben dem See, wo wir zusammen alt werden wollten?
Du und ich. Und was ist mit Vedya?
Nur du und ich, Ella. Zwischen mir und Vedya war nie etwas.
Halte mich nicht zum Narren, Gurvon.
Du liebst mich, Ella. Du hast es mir selbst gesagt.
Und du hast mich ausgelacht!
Elena Anborn und Liebe? Ich dachte, du hättest einen Scherz gemacht. Aber das hast du anscheinend nicht, oder?
Was weißt du schon von Liebe?
Das Gesicht im Tonklumpen verzog sich zu einer Grimasse. Gut gekontert. Aber es kann wohl keinen Zweifel geben, wer von uns beiden jetzt besser dasteht. Ich habe das Geld, du nur ein Todesurteil.
Hast du irgendwas Wichtiges zu sagen, Gurvon? Wenn nicht, unterbreche ich jetzt …
Nein, warte! Ich habe etwas Wichtiges für dich, ein letztes Angebot: Geh, Ella. Geh nach Hebusal, und ich schicke dir dein Geld dorthin, jeden einzelnen Heller. Du wirst vom Kaiser begnadigt und kannst als freie Frau tun und lassen, was du willst. Du kannst dich überall auf Urte niederlassen, außer in Javon. Du wärst raus aus dem Spiel.
Noch mehr Lügen.
Nein, Elena. Ich schwöre, ich sage die Wahrheit. Sie wollen dich nur aus dem Weg haben, Ella.
Ich überlasse dir Cera und Timori nicht, Gurvon, und auch nicht deinem Kaiser. Sag ihm, wohin er sich seine Begnadigung stecken kann. Ich will dich nie wiedersehen.
Die tönernen Lippen spitzten sich hämisch. Aber das wirst du, Elena. Mein Gesicht wird das Letzte sein, was du siehst, wenn dir die Klinge zwischen die Rippen fährt. Wir werden dich holen und deine Princessa und ihren kleinen Bruder auch. Sie sind alle da, hier bei mir: Rutt, Anro, Vedya und auch die anderen. Lass sie im Stich, Elena! Geh, jetzt. Es ist deine einzige Chance.
Du weißt, dass ich ein solches Angebot niemals annehmen würde.
Nein, weiß ich nicht. Die Elena, die ich kannte, hätte es
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