Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
zurechtzukommen.«
Er blickte Lucia an. »Schlachten werden nicht durch Strategie gewonnen, sondern durch ständige Anpassung der Taktik«, zitierte er ein weiteres Mal General Korion, um ihm möglichst viel Honig ums Maul zu schmieren.
»Was ist also Euer Plan, um die Situation zu retten, Meister Gyle?«, fragte der General überraschend wohlwollend.
Gut, wenigstens du glaubst, ich könnte diesen Raum lebend wieder verlassen. »Bereits jetzt habe ich neue Kräfte in der Region zusammengezogen. Sechs Magi sind schon dort, weitere sind unterwegs. Meine Taktik umfasst drei Hauptpunkte, die alle unabhängig voneinander sind. Erstens: Rutt Sordell wird die Gorgio bei der Vernichtung der Nesti anleiten. Zweitens: Ich werde die Nesti mit einem Agenten infiltrieren. Drittens: Ich werde die Wiedereinsetzung der Dorobonen beschleunigen. Lasst uns nicht vergessen, was wir bereits erreicht haben: Olfuss Nesti wurde eliminiert, wir halten die Hauptstadt, seine zweite Tochter ist unsere Geisel. Ich bitte Euch um Vertrauen, denn ich weiß, wie ich meine Taktik anpassen muss, um unser Ziel zu erreichen.«
»Was unterm Strich von Euren Worten übrig bleibt, ist: Ja, ich habe versagt, aber Ihr seid auf mich angewiesen, also vertraut mir und gebt mir Zeit, das Desaster wieder in Ordnung zu bringen. Das Ganze versetzt mit ein paar kleinen Zitaten, um Kaltus auf Eure Seite zu ziehen«, bemerkte Lucia trocken.
Gurvon spürte, wie Lucias gnadenlose Analyse ihn leicht erröten ließ.
Betillon brummte zustimmend, und Korion schien sich zu fragen, ob die Kaiserinmutter ihn gerade getadelt hatte. Wurther wirkte auf der Hut, als versuche er, Lucias Laune einzuschätzen. Nur Vult war wie immer die Gelassenheit selbst.
»Tatsächlich bin ich jedoch geneigt, Euch recht zu geben, Magus Gyle«, fuhr Lucia zu Gurvons unendlicher Erleichterung fort. »Ich bin nicht nachtragend und außerdem der Meinung, dass Dinge manchmal schiefgehen, weil es nun mal so in ihrer Natur liegt. Vollkommen Unvorhergesehenes geschieht und wirft die ausgeklügeltsten Pläne über den Haufen. Euer zuversichtliches Auftreten bestätigt mein Vertrauen in Euch.« Dabei sagten ihre Augen ihm unmissverständlich, wie tief er in ihrer Schuld stand. Gut gemacht, Magus. Es war richtig, nicht in heller Panik davonzulaufen oder Euch zu verstecken. Ihr habt die Schuld nicht auf andere abgewälzt, und Ihr habt einen Plan, um die Situation zu retten. Solltet ihr jedoch ein weiteres Mal versagen, seid Ihr mehr als tot.
Betillon schaute säuerlich, und der Kaiser schien enttäuscht. Alle anderen nickten zufrieden. Gurvon sah ein Lächeln auf Vults Gesicht, als würde Belonius sich für seinen Freund freuen. Sicher, Bel. Danke auch für deine Unterstützung.
»Wie habt Ihr denn nun vor, dieser Anborn-Hure den Kopf in den eigenen Arsch zu schieben?«, fragte die heilige Lucia fröhlich und genoss ihre obszöne Wortwahl.
Alle lachten schallend.
Wenn die eine Heilige ist, dann bin ich auch einer. »Natürlich«, erklärte Gyle. »Wir werden Folgendes tun …«
Die Straße nach Norden
Hebusal
… und dich, Hebusal, Geburtsstätte von Ahmed-Aluq. Alle Gläubigen sollen dich vor ihrem Tod besuchen, auf dass ein Platz im Paradies sie erwarte.
Kalistham , heiliges Buch der Amteh
Nordlakh, Antiopia
Shawwal (Okten) bis Zulhijja (Dekore) 927
9–7 Monate bis zur Mondflut
»Habt ihr es schon gemacht? Wie war es?«, fragte Huriya mit genauso viel Mitgefühl wie Neugierde in der Stimme.
»Du warst die ganze Zeit bei mir«, erwiderte Ramita höflich. Das geht dich gar nichts an. Außerdem ist noch nichts passiert .
»Er ist letzte Nacht in dein Zimmer gekommen, als ich noch unter der Blut-Pratta war«, merkte Huriya an und kniff Ramita in den Arm. »Also, wie war es?«
»Er kam nur, um sich mein Zimmer anzusehen. Er ist nicht geblieben. Sieh mal, wir kommen ins nächste Dorf.«
Huriya spähte aus dem Fenster. »Noch so eine erbärmliche Ansammlung von Hütten. Sieht genauso aus wie all die anderen. Glaubst du, er kann überhaupt noch?«
»Huriya!«
»Schon gut! Du bist nur irgendwie so langweilig.«
Ramita rechnete zurück. Die Hochzeit war am Elften gewesen. Sie waren früh gegangen. Das Letzte, was sie vom Haus ihrer Eltern gesehen hatte, war der strahlende Schein der Fackeln gewesen, die ganze Nachbarschaft war dort gewesen, hatte gefeiert und getanzt. Ramita war starr gewesen vor Angst davor, was in der Hochzeitsnacht geschehen würde. Aber Meiros hatte sich zurückgezogen
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