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Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Titel: Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hair
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lebte.
    Alle Augen waren auf Gurvon gerichtet, als er vor die Tafel trat. Drei Wochen war er ohne Unterbrechung geflogen, die meiste Zeit durch miserables Wetter. Die Ozeanüberquerung war besonders qualvoll gewesen. Das Frustrierendste jedoch war, überhaupt hier sein zu müssen. Als Constants engster Kreis von dem vereitelten Attentat erfahren hatte, waren sofort Stimmen laut geworden, die Gurvons Kopf verlangten. Als hätte er ahnen können, dass die kaltschnäuzige Elena Anborn plötzlich ein Gewissen entwickeln könnte. Unvorstellbar! Und wie bei Hel war sie mit Samir fertiggeworden? Der Magus hatte nicht umsonst den Beinamen »das Inferno« getragen.
    Ich habe ihnen weit mehr gegeben, als sie selbst jemals hätten erreichen können. Ich habe Olfuss Nesti gestürzt und ihnen Brochena zu Füßen gelegt. Die Dorobonen können ihre Rückkehr vorbereiten. Ich sollte jetzt in Javon sein und Sordell helfen, sollte mich um Elena kümmern, und stattdessen lassen diese Schwachköpfe mich fünftausend Meilen zurücklegen, um mich zu verhören. Wie können sie es wagen!
    Vorsicht, Gurvon. Kein Zorn. Selbstvertrauen. Entschlossenheit. Konzentrier dich auf das, was es zu gewinnen gilt. Beruhige sie. Überlebe.
    Der Kaiser saß auf einem beleuchteten Thron, alle anderen im Dunkeln, selbst die Mater-Imperia. Gyle achtete darauf, zuerst vor Lucia das Knie zu beugen, als Zeichen, dass er sie als oberste Autorität anerkannte. Und um sich ihrer Unterstützung zu versichern. Falls sich der Kaiser übergangen fühlen sollte – sein Problem.
    »Darf ich mich setzen?«
    Lucia wedelte mit der Hand. »Natürlich, Magister. Ihr müsst erschöpft sein nach dieser langen Reise.« Ihre Stimme klang ruhig und besonnen.
    Keine Vorverurteilung von ihrer Seite also, wie Gyle dankbar feststellte. Er betrachtete die dunklen Gestalten im Raum. Dubrayle fehlte. Zweifellos war er in Pallas mit Geldzählen beschäftigt. Tomas Betillon sah wenig erfreut darüber aus, von Pontus hierherzitiert worden zu sein. Wahrscheinlich denkt er, er hätte mich ebenso gut gleich dort aufknüpfen können. Kaltus Korion betätigte sich als Schürzenjäger in seinem monströsen Palast direkt vor den Toren von Bres, er hatte es also nicht weit gehabt. Trotzdem stinkt es ihm wahrscheinlich, dass sie ihn an einem so kalten Tag aus dem Bett gezerrt haben. Der Große Kirchenvater Wurther blickte Gurvon nur bedächtig an. Kümmert ihn wahrscheinlich einen Dreck, was hier beschlossen wird. Hauptsache, es gibt hinterher heißen Wein .
    Gurvon sah zu Belonius Vult hinüber, der ihm wohlwollend zulächelte und aufmunternd zuzwinkerte. Ah, immer schön beide Seiten warmhalten, nicht wahr, Bel? Du wirst dich nie ändern!
    Tomas Betillon ergriff das Wort: »Was bei allen Dämonen geht hier vor, Gyle? Ihr sagtet, Eure Leute würden das gesamte Haus Nesti auslöschen – nicht nur die Hälfte! Ihr sagtet, wir könnten dieser Hure Anborn vertrauen, stattdessen hat sie Euren besten Mann getötet und sich auf die Seite der Eingeborenen geschlagen! Wieso baumelt Ihr nicht schon an Euren Eiern aufgehängt vom Deckenbalken?«
    Wurther kicherte, als hätte Betillon soeben den besten Scherz gemacht, den er je gehört hatte. »Da hat Tomas nicht ganz unrecht«, murmelte er. »Auch ich glaube, mich erinnern zu können, dass Ihr sagtet, auf Eure Leute wäre Verlass. So was, so was.« Seine Augen verengten sich um einen Hauch, dann wanderte sein Blick zu Belonius. »Andererseits ist Gyle Euer Mann, Vult.«
    Belonius schaute gleichmütig zurück. »Gurvon hat mich noch nie enttäuscht … bisher.«
    Gyle blickte Lucia an. »Darf ich, Majestät?«
    Mit einem neutralen Nicken gab sie ihm die Erlaubnis zu sprechen, und Gurvon wandte sich an die Versammlung: »Meine Herren, niemand ist so überrascht von Elena Anborns Verrat wie ich selbst. Die Schuld liegt bei mir, denn ich habe es nicht vorhergesehen. Mir war entgangen, wie sehr sich ihre Loyalitäten verschoben hatten. Hätte ich es gewusst, hätte ich Samir nicht mit ihr allein gelassen, denn Samir war stark, aber Elena ist gerissen. Der edle General Korion pflegte zu sagen, dass kein vorgefasster Plan den ersten Feindkontakt übersteht, und die Ereignisse geben ihm recht. Doch ist es vor allem die Art, wie man sich von derartigen Rückschlägen erholt, die einen über die anderen erhebt. Wir müssen die Standhaftigkeit besitzen zurückzuschlagen. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen und lernen, mit der veränderten Situation

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