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Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Titel: Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hair
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Keshi-Soldaten hatte sein Lager direkt neben meinem. Sie kamen aus Istabad, trugen weiße Roben, hatten geflochtene Bärte und Zöpfe im Haar. Sie tranken und vergnügten sich mit den Mädchen, ein ziemlich undisziplinierter Haufen. Ständig musste ich sie von meinem Wagen verscheuchen – sie wollten ihn als Bett für sich und ihre Weiber.« Ispal schüttelte den Kopf. »Einer von ihnen war Raz. Er entschuldigte sich jedes Mal, wenn er fertig war, und gab mir eine Goldmünze. Und ich durfte ein weiteres Mal die oberste Lage Seide waschen. Dieser Dreckskerl!«
    Huriya hob den Kopf von Ramitas Schulter, und sie blickten einander an. So hatte Ispal die Geschichte noch nie erzählt.
    »Ja, mein Freund Raz … Er sprühte nur so vor Leben, und er war ein Meister mit dem Krummsäbel. Wir sahen den Soldaten oft beim Üben zu. Raz war der Beste. Er hatte mächtige Schultern, sein Bauch war flach und straff, die Oberschenkel dick und hart. Manchmal trat er gegen zwei oder drei gleichzeitig an, aber er gewann immer. Wir sahen zu und schlossen Wetten ab. Ich setzte immer auf ihn.« Er seufzte. »Seine Frau Falima hatte Haare, die bis zu den Hüften reichten, und ihre Augen waren voll wie der Mond. Sie war die schönste Frau im ganzen Lager, und jeder wusste, sie gehörte Raz allein.« Er blickte Huriya an. »Es tut mir leid, dir das über deine Mutter erzählen zu müssen, aber heute ist die Nacht, in der die Wahrheit einmal ausgesprochen werden muss. Sie hatten Falima auf dem Marsch nach Hebusal aufgelesen. Sie war nicht die Tochter eines Händlers, wie dir immer gesagt wurde. Die Dinge, die ich euch jetzt sage, dürfen diesen Raum nie verlassen.«
    Huriya nickte.
    »Was haben wir nicht geträumt von dem Vermögen, das wir machen würden, indem wir die Ferang-Händler übers Ohr hauen. Mit angehaltenem Atem warteten wir auf ihre Ankunft, doch stattdessen sandte der Kaiser von Rondelmar seine Legionen. Den ganzen Monat über, während wir in Hebusal warteten, war er mit seinen Soldaten über die Brücke marschiert. Es heißt, Antonin Meiros hätte sie aufhalten können, aber er tat es nicht. Der Kaiser hatte sich zuerst der Rückendeckung des Ordo Costruo versichert. Meiros ließ seine Armee passieren, und die Welt versank im Krieg.«
    Ispal verstummte und nahm Ramitas Hand. »Das ist der Mann, den du heiraten wirst: der Mann, der die Legionen über die Große Brücke marschieren ließ. Manche sagen, er hatte keine andere Wahl, aber die meisten hassen ihn dafür.«
    Ramita erwiderte nichts. Diese Ereignisse lagen so weit zurück, dass sie schon beinahe nicht mehr real waren.
    Nur Huriya blickte Ispal entsetzt an, und er packte ihr Kinn mit festem Griff: »Ja, meine Tochter. Ramita wird Antonin Meiros heiraten, und du musst dieses Geheimnis für dich behalten. Du musst es mir schwören.«
    Huriya konnte nichts erwidern, so überrascht war sie – und so bestürzt.
    Ispal fuhr mit seiner Erzählung fort. »Ich habe mit ihm darüber gesprochen, als wir wegen der Hochzeit verhandelten. In meinem Herzen hatte ich beschlossen, wenn er meine geliebte Tochter zur Braut haben will, muss er mir vor allem eine Frage beantworten: ›Warum habt Ihr es zugelassen?‹, habe ich ihn gefragt und dabei in seine Seele geblickt. Ich wollte wissen, ob er ein böser Mensch ist, ein schwacher Mensch oder ein ehrenhafter, der keine andere Wahl hatte. Und was ich sah, war Schmerz. Echt und immer noch frisch. Ich sah keine Bosheit, keinen Rassenhass und keine Verschlagenheit, sondern nur schrecklichen, alles verzehrenden Schmerz. Ich sah, dass er immer noch litt unter seiner Entscheidung, dass er sie jeden einzelnen Tag bereute. ›Ich glaubte, ich würde damit Leben retten‹, erklärte er mir. ›Um sie aufzuhalten, hätte ich die Brücke zerstören müssen, das war meine einzige Option zu dieser Zeit. Einhunderttausend Mann wären jämmerlich im Ozean ertrunken, und die einzige Verbindung zwischen Yuros und Antiopia wäre zerstört gewesen, vielleicht für immer. Man versicherte mir, die Soldaten wären nur zum Schutz der Händler. Ich hatte meine Zweifel, aber was sie dann taten, das Schlachten, die Versklavung, von all diesen Grausamkeiten hatte ich nichts geahnt.‹«
    Ispal fuhr sich mit den Fingern durchs dünne Haar und seufzte schwer. »Das waren seine Worte, Ramita, und ich glaube ihm. Ich glaube, er saß selbst in der Falle. Er ist nicht böse. Er sagte mir, er liebt Hebusal und hat all seine Kraft darauf verwendet, es zum Paradies auf

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