Die Brücke
tatsächlich unverwundbar sein
müssen oder daß die Geschütze der Brücke
höchstens Rauchpatronen abfeuern, keine Splitter- oder gar
Aufschlaggeschosse, wird eins der Flugzeuge getroffen. In den Schwanz
getroffen. Es ist die mittlere Maschine. Sofort wird sie langsamer,
bleibt hinter den anderen beiden zurück. Grauer Rauch
strömt aus ihrem Schwanz. Die schwarzen Wölkchen der
Botschaft setzen sich noch eine Weile fort, dann werden sie
schwächer. Das Flugzeug bleibt immer weiter zurück, bis es
neben dem Zug ist. Es dreht nicht ab und unternimmt auch sonst kein
Ausweichmanöver; es behält den stetigen Kurs bei, nur jetzt
langsamer.
Sein Schwanz verschwindet, vom Rauch verzehrt. Es fliegt immer
noch, geradeaus und horizontal. Nach und nach wird der Rumpf
weggefressen. Die Maschine hält Schritt mit dem Zug und weicht
ungeachtet ihrer Beschädigung nicht von ihrem Kurs ab, und dabei
umschwärmen die schwarzen Flugzeugabwehr-Wolken sie immer noch.
Der halbe Rumpf ist fort; sie hat keinen Schwanz mehr. Der graue
Rauch dringt allmählich in die hinteren Kanten der
Flügelansätze und in die Rückseite der Cockpit-Haube
ein. Das Flugzeug kann nicht mehr flugtauglich sein, es hätte in
dem Augenblick, als es den Schwanz verlor, außer Kontrolle
abstürzen müssen, aber es fliegt weiter, immer noch genau
auf der gleichen Höhe mit dem dahinrasenden Zug und mit der
gleichen Geschwindigkeit. Die dicke Wolke grauen Rauchs verzehrt den
Rumpf, das Cockpit, die Flügel, und als sie verschwunden sind,
wird sie lichter. Nur die Motorhaube und die beinahe unsichtbare
Linie des Propellers sind noch übrig.
Ein fliegender Motor, kein Pilot, kein Treibstoff, keine
Kontrollen, kein Mittel, ihm Auftrieb zu geben. Die Motorhaube
verschwindet, Stück für Stück. Nur ein paar
Wölkchen schwarzen Qualms machen sich die Mühe, ihr zu
folgen. Der Motor ist fort, der Propeller verschwindet in einem
plötzlichen dichten grauen Aufwallen. Nichts ist geblieben als
die Propeller-Nabe, die schnell zusammenschrumpft und eine dünne
graue Linie hinterläßt. Und auch die verweht. Ich sehe
nichts als blauen Himmel und Ballons hinter den vorbeiwirbelnden
senkrechten und schrägen, von der Geschwindigkeit verwischten
Brückenelementen.
Der Zug rüttelt und schüttelt mich. Ich bin halb
wach.
Ich schlafe wieder ein.
Während der Reise hatte ich seltsame, immer wiederkehrende
Träume von einem Leben an Land. Ständig sah ich ein und
denselben Mann, erst als kleinen Jungen und dann als Heranwachsenden
und schließlich als jungen Mann, aber in keinem Stadium sah ich
ihn deutlich. Es war, als sähe ich das Ganze durch Nebel und nur
in Schwarzweiß und überlagert von Dingen, die mehr waren
als bloße optische Eindrücke, aber weniger als real. Es
war, als betrachtete ich dieses Leben auf einem verzerrten Schirm,
könne jedoch gleichzeitig in den Kopf dieses Mannes sehen, als
strömten die Gedanken darin – alles, was er assoziierte und
in Verbindung brachte, was er mutmaßte und sich vorstellte
– von ihm auf den Schirm, den ich betrachtete. Alles blieb grau
und unwirklich, und manchmal entdeckte ich Ähnlichkeiten
zwischen dem, was in diesem seltsamen, immer wiederkehrenden Traum
geschah, und was in Wirklichkeit geschah, solange ich auf der
Brücke lebte.
Vielleicht war es die Wirklichkeit, vielleicht war mein
lädiertes Gedächtnis gerade soweit wiederhergestellt,
daß es einen ungeordneten Film abspulte und sein Bestes tat,
mich entweder zu unterhalten oder zu informieren. An einer Stelle
meines Traums tauchte etwas wie die Brücke auf, aber aus weiter
Entfernung gesehen, ich glaube, von einer Wüstenküste, und
außerdem war sie viel zu klein. Später kam mir der
Gedanke, ich hätte darunterstehen können. Aber wieder war
sie zu klein und zu dunkel, ein schwaches Echo, mehr nicht.
Der leere Zug, in dem ich mich als Blinder Passagier befand, fuhr
tagelang über die Brücke, wurde manchmal langsamer, hielt
jedoch nie an. Ich hätte verschiedentlich abspringen
können, aber vielleicht wäre ich dabei ums Leben gekommen,
und ich war immer noch entschlossen, das Ende des Bauwerks zu
erreichen. Mir standen drei leere Gepäckwagen, zwei
Personenwagen – mit Sitzen und kleinen Tischen und
Schlafabteilen – und ein Speisewagen zur Verfügung. Aber
kein Küchenwagen, keine Kombüse, und die Türen am Ende
von jedem der drei Gepäckwagen waren verschlossen.
Die meiste Zeit versteckte ich mich auf einem der Liegesitze, so
daß ich
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