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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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mit dem Bus in
diese anonyme Stadt gebracht wurde, fand ich, es habe sich im Grunde
nichts verändert. Ich konnte mit verhältnismäßig
wenig Leuten reden, und das überraschte mich natürlich
nicht. Diejenigen, mit denen ich sprach, waren jedoch entzückt,
daß ich mich ihnen in meiner seltsamen, fremdartigen Sprache
verständlich machen konnte, wenn auch ziemlich reserviert,
sobald die Rede auf ihre eigenen Umstände kam. Ich fragte sie,
ob sie von der Brücke gehört hätten. Einige hatten
davon gehört, aber als ich sagte, ich käme von dort,
glaubten sie, ich machte Witze, oder sogar, ich sei
verrückt.
    Dann veränderten sich meine Träume, wurden
übernommen, überrannt.
    Eines Nachts wachte ich in dem Schlafsaal auf. Die Luft war krank
von dem Geruch des Todes und erstickt von den Geräuschen
stöhnender und aufschreiender Menschen. Durch ein zerbrochenes
Fenster sah ich die Blitze ferner Explosionen und das stetige
Glühen großer Feuer, ich hörte das Krachen fallender
Granaten und Bomben. Ich war allein in dem Schlafsaal, die
Geräusche und Gerüche kamen von draußen.
    Ich fühlte mich schwach und hatte wütenden Hunger,
größeren Hunger als in dem Zug, der mich von der
Brücke weggebracht hatte. Während der Nacht, stellte ich
fest, hatte ich beinahe die Hälfte meines Gewichts verloren. Ich
kniff mich und biß mich in die Innenseiten der Wangen, aber ich
wachte nicht auf. Ich sah mich in dem verlassenen Schlafsaal um. Die
Fenster waren mit Klebestreifen bedeckt, schwarzen und weißen
Streifen, die Ixe über die rechteckigen Scheiben zogen.
Draußen brannte die Stadt.
    Da, wo meine Uniform hätte sein sollen, fand ich schlecht
passende Schuhe und einen alten Anzug. Ich ging hinaus in die Stadt.
Der Park, den ich zu fegen hatte, war da, aber mit Zelten bedeckt und
von zerstörten Gebäuden umgeben.
    Flugzeuge brummten vorbei oder schossen kreischend aus dem
wolkigen Nachthimmel nieder. Explosionen erschütterten Erde und
Luft, Flammen züngelten in den Himmel. Überall war Schutt
und der Geruch des Todes. Ich sah ein totes, mageres Pferd, im
Geschirr gefallen, der Wagen hinter ihm von den Trümmern eines
eingestürzten Gebäudes halb begraben. Das Pferd wurde von
einer Gruppe dünner, hohläugiger Männer und Frauen
sorgfältig in große blutige Stücke zerlegt.
    Die Wolken standen wie orangefarbene Inseln vor dem
tintenschwarzen Himmel. Die Feuer spiegelten sich in dem
hängenden Dampf wider und schickten ihm hohe Flammensäulen
entgegen. Die Flugzeuge kreisten wie Aasgeier über der
brennenden Stadt. Manchmal fing ein Scheinwerfer eines ein, und ein
paar schwarze Rauchwolken verdunkelten den Himmel um das Flugzeug
noch mehr. Doch ansonsten war die Stadt anscheinend ohne
Verteidigungen. Gelegentlich pfiffen Granaten durch die Luft. Zweimal
zwangen mich Explosionen in der Nähe, in Deckung zu gehen –
staubige Ziegel, Steinsplitter prasselten und knallten um mich
nieder.
    Ich wanderte stundenlang. Gegen Morgen, als ich durch diesen
endlosen Alptraum zu dem Schlafsaal zurückkehrte, fand ich mich
hinter zwei alten Leuten wieder, einem Mann und einer Frau. Sie
gingen die Straße entlang und stützten sich gegenseitig.
Der alte Mann krümmte sich und fiel und riß die alte Dame
mit sich. Ich versuchte, ihnen aufzuhelfen, aber der Mann war bereits
tot. Mehrere Minuten lang waren keine Bomben oder Granaten mehr
eingeschlagen, und wenn ich auch meinte, in der Ferne das Knattern
von Handfeuerwaffen zu hören, wurde doch nicht in unserer
Nähe geschossen. Die Frau, die beinahe ebenso dünn und grau
aussah wie der tote alte Mann, weinte hoffnungslos, schluchzte und
stöhnte in den abgetragenen Mantelkragen des Mannes, wiegte
langsam den Kopf und wiederholte immerzu ein paar Wörter, die
ich nicht verstand.
    Ich hätte nicht gedacht, daß die eingeschrumpelte Alte
so viele Tränen in sich haben könnte.
    Der Schlafsaal war voll von toten Soldaten in grauen Uniformen.
Ein einziges Bett war frei. Ich legte mich darauf nieder und wachte
auf.
     
    Es war die gleiche friedliche, intakte Stadt mit den gleichen
Bäumen und Wegen und hohen grauen Gebäuden. Ich war immer
noch hier. Die Gebäude, die ich in Flammen oder Trümmern
gesehen hatte, waren die gleichen, die ich beim Arbeiten im Park sah.
Wenn ich jedoch genauer hinblickte, fand ich an manchen Stellen
Steine, die nicht restauriert worden und Teil des ursprünglichen
Gebäudes waren. Einige von diesen Blöcken trugen die
unverkennbaren, wenn auch verwitterten,

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