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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Verstärkern; ich weiß nicht, was zuerst
von den Vibrationen kaputtgehen wird, meine Trommelfelle oder der
Außenlack (er hatte ihn rostsicher machen und in zwölf
Schichten von Hand auftragen lassen).
    »Gütiger Himmel«, meinte Stewart, als er ihm
verriet, wieviel es gekostet hatte, die ICE-Ausrüstung zu
installieren, »dafür hättest du ja einen neuen Wagen
kaufen können.«
    »Ich weiß«, stimmte er zu. »Man könnte
einen neuen Wagen für eine Jahresprämie der Versicherung
kaufen und bekäme noch einen neuen Satz Reifen dazu. Mehr Geld
als Verstand.«
    Nichts funktionierte ganz perfekt. Der Wagen klapperte
ärgerniserregend, das CD-Gerät im Haus versagte zeitweilig,
die Kamera mußte ersetzt werden, und die meisten Platten, die
er kaufte, hatten Kratzer. Seine Putzfrau pflegte beim
Geschirrspülen die Küche unter Wasser zu setzen. Er
ertappte sich dabei, daß er ungeduldig im Verkehr mit anderen
Leuten war, und ein Verkehrsstau brachte ihn zur Raserei. Gegen seine
Nervosität und seine Abgestumpftheit kam er nicht an. Ja sicher,
er spendete Geld für die Lebenshilfe, aber er dachte dabei an
das revolutionäre Sprichwort, das eine karitative Spende unter
dem Kapitalismus mit einem Pflaster auf einem Krebsgeschwür
vergleicht.
    Die Festspiele des Jahres 1985 konnten seine Lebensgeister nicht
wecken. Andrea war zeitweilig da, aber auch in ihrer Gesellschaft,
wenn sie neben ihm in einem Zuschauerraum oder im Wagen saß
oder im Bett lag, war sie nicht wirklich, nicht ganz bei ihm. Ein
Teil ihrer Gedanken war nicht frei, nicht für ihn. Sie wollte
immer noch nicht darüber sprechen. Auf Umwegen erfuhr er,
daß es bei Gustaves multipler Sklerose zu Komplikationen
gekommen war. Er versuchte, das Thema anzuschneiden, aber sie ging
nicht darauf ein. Es bedrückte ihn, daß es Dinge gab,
über die sie nicht reden konnten. Es war seine eigene Schuld; er
hatte nie über Gustave reden wollen. Jetzt ließen sich die
Spielregeln nicht mehr ändern.
    Er träumte von dem sterbenden Mann in der anderen Stadt, und
manchmal glaubte er, ihn sehen zu können, wie er, von Maschinen
umgeben, in einem Krankenhausbett lag.
    Zur Halbzeit der Festspiele reiste Andrea nach Paris zurück.
Er ertrug das kulturelle Äquivalent eines Luftangriffs mit
tausend Bombern nicht. Deshalb lieh er sich die Bonneville eines
Freundes aus und fuhr nach Skye.
    Es regnete.
     
    Die Firma verbuchte einen Erfolg nach dem anderen, aber er verlor
allmählich das Interesse. Was tue ich letzten Endes eigentlich?
fragte er sich. Ich bin nichts als ein weiterer verdammter
Ziegelstein in der Mauer, ein Zahnrad in der Maschine, wenn auch ein
bißchen besser geölt als die meisten anderen. Ich mache
Geld für Ölgesellschaften und ihre Aktionäre und
für Regierungen, die es für Waffen ausgeben, die uns alle
tausendmal statt nur fünfhundertmal umbringen können. Ich
bin nicht einmal auf dem Niveau eines anständigen Arbeiters
tätig wie mein Dad, ich bin ein verdammter Chef, ein Arbeitgeber, ich habe Dynamik und Initiative (beziehungsweise,
ich habe sie gehabt). Mit mir läuft alles ein kleines
bißchen besser, als wenn ich nicht da wäre.
    Er strich den Whisky wieder und trank einige Zeit nur
Mineralwasser. Das Haschisch gab er fast ganz auf, als ihm zum
Bewußtsein kam, daß er kein Vergnügen mehr daran
hatte. Die einzigen Gelegenheiten, bei denen er doch noch rauchte,
war, wenn er Stewart besuchte. Das war dann wie in alten Zeiten.
    Er begann, regelmäßig Kokain zu schnupfen. Es wurde zu
einem Montag-Morgen-Ritual und der natürliche Beginn eines
Abends, an dem er ausgehen wollte, bis er sich einmal eine
großzügige Portion abschnitt und dabei die Nachrichten im
Fernsehen sah. Man zeigte die Fortsetzung eines Berichts über
die Hungersnot in Afrika. Er wandte den Blick von einem Kind mit
toten Augen und einer Haut wie Fledermausflügeln ab. Er sah auf
den Spiegel auf dem Tisch nieder, über den er sich beugte, und
sah sein eigenes Gesicht durch die schimmernden Körnchen
weißen Pulvers auf sich zurückblicken. Er hatte sich in
der vergangenen Woche dieses Zeug im Wert von dreihundert Pfund in
die Nase gestopft. Er warf das Rasiermesser hin. Scheiße, sagte
er zu sich selbst.
    Ein schlechtes Jahr, sagte er zu sich selbst. Ein weiteres
schlechtes Jahr. Er fing an, Zigaretten zu rauchen. Schließlich
akzeptierte er die Tatsache, daß er eine Brille brauchte. Die
kahle Stelle auf seinem Kopf hatte die Größe des Abflusses
in einer Badewanne. Er mußte wohl

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