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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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waren.
Sie hatten weniger Spaß als früher, aber irgendwie
hatte der Akt eine stärkere Resonanz bekommen, war selbst zu
einer Art Sprache geworden.
     
    Manchmal, wenn sie in Paris war und er allein in dem großen
Haus saß, las oder fernsah oder am Zeichenbrett arbeitete,
fühlte er sich einsam. Wenn er weniger als das legale Limit zu
trinken gehabt hatte, holte er den Quattro heraus und fuhr nach North
Queensferry, um unter der großen dunklen Brücke zu sitzen,
zuzuhören, wie das Wasser gegen die Steine klatschte und
über ihm die Züge hinwegdonnerten. Er rauchte einen Joint
oder atmete einfach die frische Luft. Nur ein Teil seines Geistes,
ein scheuer, zaghafter Teil, schwelgte in Selbstmitleid; es gab noch
einen anderen Teil, der wie ein Habicht oder Adler war, hungrig und
grausam und fanatisch scharfäugig. Das Selbstmitleid hielt im
Freien nur für Sekunden an. Dann fiel der Raubvogel darüber
her, zerriß und zerfetzte es.
    Der Vogel war die reale Welt, ein Söldner, den sein in
Verlegenheit gebrachtes Gewissen losgeschickt hatte, die zornige
Stimme aller Menschen auf der Welt, die überwältigende
Mehrheit derer, denen es schlechter ging als ihm. Das war nichts als
gesunder Menschenverstand.
    Er entdeckte mit so etwas wie gerechter Entrüstung, daß
die Brücke nicht in ordentlichen Drei-Jahres-Perioden von einem
Ende zum anderen angestrichen wurde. Es geschah stückweise, und
der Zyklus dauerte zwischen vier und sechs Jahren. Wieder ist ein
Mythos in den Staub gesunken, dachte er; so geht es nun einmal im
Leben.
     
    Andrea war jetzt beinahe die Hälfte der Zeit in Paris. Sie
hatte sich dort ein zweites Leben aufgebaut, hatte einen anderen
Freundeskreis. Er hatte ein paar von ihnen kennengelernt, wenn sie
nach Edinburgh herüberkamen, einen Zeitschriftenredakteur, eine
Frau, die für die UNESCO arbeitete, einen Dozenten von der
Sorbonne; nette Leute. Sie alle waren auch Freunde von Gustave. Ich
hätte hinüberfahren sollen, sagte er zu sich selbst, ich
hätte Freundschaft schließen sollen. Zu spät. Warum
bin ich so dumm? Ich kann eine Struktur entwerfen, die dreißig
Jahre lang oder noch länger hundert Fuß hohen Wellen
standhält und sie im Rahmen von Gewicht und Budget so sicher
machen wie jeder andere Konstrukteur. Aber ich kann die Hand nicht
vor dem Gesicht sehen, wenn es darauf ankommt, mit meinem eigenen
Leben etwas Vernünftiges anzufangen. Wenn es einen
Konstruktionsplan für meine eigene Existenz geben sollte,
erkenne ich ihn nicht. Wie lautete das alte Familienlied: Die
Antwort des Webers. Nun gut, wo ist meine, Jimmy?
    Er kaufte einen Toyota MR2 sowie das neueste Quattro-Modell. Er
nahm Flugstunden, er baute eine brauchbare Lautsprecheranlage aus in
Schottland hergestellten Komponenten, er kaufte die
Minolta-7000-Kamera, sobald sie auf den Markt kam, fügte dem
Hi-Fi ein CD-Gerät hinzu und dachte daran, sich ein Rennboot zu
kaufen. Er segelte mit ein paar von Andreas alten Freunden von der
Marine bei Port Edgar am Südufer des Forth zwischen den beiden
großen Brücken entlang.
    Er bekam den Quattro und den MR2 leid. Es gab immer einen besseren
Wagen, einen Ferrari oder einen Aston oder einen Lambo oder einen in
begrenzter Stückzahl hergestellten Porsche oder was auch
immer… Er entschied sich, keine weiteren Vergleiche mehr zu
ziehen und sich statt dessen für zeitlose Eleganz zu
entscheiden. Bei einem Händler am Ort fand er einen gut
erhaltenen Mk II Jaguar 3.8; er verkaufte den Audi und den
Toyota.
    Er ließ den Jaguar in rotem Connelly-Leder polstern. Eine
Tuner-Spezialfirma montierte den Motor aus, machte Blaupausen davon,
wechselte Nocken, Kolben, Ventile und Vergaser aus und baute eine
elektronische Zündung ein. Sie überarbeitete die
Aufhängung, verstärkte die Bremsen, brachte neue Räder
und asymmetrische Reifen an, dazu ein neues Getriebe für all die
zusätzlichen Drehmomente. Er ließ den Wagen mit vier neuen
Sicherheitsgurten, einer laminierten Windschutzscheibe,
stärkeren Scheinwerfern, elektrischen Fenstern, getöntem
Glas, einem Sonnendach und Diebstahlsicherungen, die für einen
Tank ausgereicht hätten (die er aber ständig einzuschalten
vergaß) ausrüsten. Der Wagen verbrachte drei Tage bei
einer anderen Spezialfirma, die ein neues Lautsprechersystem,
komplett mit CD-Gerät, installierte. Es kann einem die Ohren zum
Bluten bringen, erzählte er; ich habe die Lautsprecher noch
nicht einmal alle gefunden. Die Anlage besteht anscheinend zur
Hälfte aus

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