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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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seiner
seltenen Anfälle von Humor bemerkte, sogar die Möbel
beinlos.
    Der Türsteher ist im Stehen eingeschlafen. Er lehnt sich mit
dem Rücken gegen die Wand des Gebäudes, hat die Arme
übereinandergeschlagen und den Kopf gesenkt, und seine
Zipfelmütze schützt seine Augen vor dem blinkenden
Neon-Zeichen über der Tür. Er schnarcht. Ich öffne die
Tür und steige durch zwei dunkle, verlassene Stockwerke dahin
hoch, wo Lärm und Licht anzeigen, daß die Party noch im
Gange ist.
    »Orr! Genau der Mann, den wir brauchen!« Brooke kommt
unsicher durch die Menschenmenge und den schwankenden Irrgarten aus
hängenden Tischen, Sesseln, Couches und Schirmen. Auf seinem Weg
steigt er über eine schnarchende Gestalt hinweg.
    In Dissy Pittons Bar bleiben Betrunkene selten für lange Zeit
unter ein und demselben Tisch liegen. Für gewöhnlich enden
sie, alle viere von sich gestreckt, auf dem Fußboden in
irgendeinem fernen Teil der Bar, weil sie der Versuchung,
davonzukriechen, die die scheinbar endlose Ebene aus Teakholz
bedeutet, nicht widerstehen konnten. Es treibt sie irgendein
tiefverwurzelter Instinkt infantiler Wißbegier oder vielleicht
der Wunsch, eine Schnecke darzustellen.
    »Nett von Ihnen, daß Sie gekommen sind, Orr.«
Brooke nimmt meinen Arm. Er sieht auf den breitrandigen Hut, den ich
umklammere. »Hübscher Hut.« Er führt mich zu
einem weit entfernten Tisch.
    »Ja«, sage ich und gebe ihm den Hut. »Wer will ihn
haben? Und wofür?«
    »Was?« Er bleibt stehen, dreht den Hut in den
Händen. Verblüfft späht er hinein, als suche er nach
einem Hinweis.
    »Sie haben einen breitrandigen Hut verlangt, wissen Sie das
nicht mehr?« erinnere ich ihn. »Sie baten mich vorhin,
einen mitzubringen.«
    »Hmm.« Brooke bringt mich an einen Tisch, um den vier
oder fünf Leute sitzen. Ich erkenne Baker und Fowler, zwei von
Brookes Ingenieur-Kollegen. Sie sind gerade mit dem Versuch
beschäftigt aufzustehen. Brooke blickt immer noch verwirrt
drein. Er sieht sich den Hut genau an.
    »Brooke«, sage ich und versuche, mir meine Gereiztheit
nicht anmerken zu lassen, »Sie haben mich – es ist noch
keine halbe Stunde her – aufgefordert, das verdammte Ding
mitzubringen. Das können Sie doch nicht vergessen
haben.«
    »Sind Sie sicher, daß es heute abend war?«
fragt Brooke skeptisch.
    »Brooke, Sie haben mich angerufen! Sie haben mich in diese
Bar eingeladen, Sie…«
    »Wissen Sie was?« Brooke rülpst und langt nach
einer Flasche. »Trinken Sie ein Glas Wein, und dann werden wir
darüber nachdenken.« Er drückt mir ein Glas in die
Hand. »Sie haben Nachholbedarf.«
    »Ich fürchte, Sie sind nicht mehr einzuholen.«
    »Sie sind doch nicht ärgerlich, oder?« Brooke
gießt Wein in mein Glas.
    »Nur nüchtern. Die Symptome sind ähnlich.«
    »Sie sind doch ärgerlich.«
    »Nein, bin ich nicht.«
    »Warum sind Sie ärgerlich?«
    Warum gewinne ich den Eindruck, daß Brooke mir nicht richtig
zuhört? So etwas passiert manchmal. Ich rede mit einem Menschen,
aber dann überkommt ihn eine Art Leere, als sei das Gesicht in
Wirklichkeit eine Maske, hinter der die echte Person steckt.
Normalerweise drückt sie sich dagegen, wie es ein Kind mit der
Nase am Schaufenster eines Zuckerbäckers tut, aber wenn ich mit
ihr rede und versuche, einen schwierigen oder unangenehmen Punkt
darzulegen, zieht mein Gesprächspartner dieses Ich von der Maske
zurück und wendet sich einer Stelle in seinem Innern zu. Er
vollführt das mentale Äquivalent des Schuheausziehens und
Füßehochlegens, Kaffeetrinkens und eine Weile Ausruhens,
um zurückzukehren, wenn er dazu bereit ist, unpassend zu nicken
und irgendeine völlig irrelevante Bemerkung zu machen, die
nichts als schale Gedanken wiedergibt. Vielleicht liegt es an mir,
denke ich. Vielleicht habe nur ich diese Wirkung auf andere Leute,
vielleicht hat sie sonst niemand.
    Nun, das mögen paranoide Überlegungen sein, und ich
zweifele nicht daran, daß es eine von diesen Wirkungen ist, die
sich als ganz und gar alltäglich, wenn nicht gar universell,
herausstellen, sobald einer den Mut aufbringt, das Thema bei anderen
Leuten anzuschneiden. (»Ach ja, das habe ich auch schon
erlebt! Ich dachte, es passiere nur mir.«)
    In der Zwischenzeit ist es den beiden Ingenieuren Baker und Fowler
gelungen, sich auf die Füße zu stellen und ihre
Mäntel anzuziehen. Brooke redet ernsthaft auf Ingenieur Fowler
ein, der ganz perplex ist. Dann breitet sich Erleuchtung über
sein Gesicht aus. Er sagt etwas, wozu Brooke

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