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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Ihnen für meine Zeichnung.« Ich ergreife
ihre Hand. Zwischen Miss Arrols Stiefelrand und Rocksaum
enthüllt sich zum ersten Mal ihr Strumpf, ein feines, aber
unmißverständliches schwarzes Netzgewebe.
    Ich konzentriere mich auf ihre Augen. Sie blicken belustigt.
»Ich hoffe, ich sehe Sie wieder.« Ich blicke auf diese
hübschen Ringe unter den grau-grünen Augen.
Netzstrümpfe, in der Tat; ich werde wiederum mit dem Netz
eingeholt. Sie drückt meine Hand. Mir wird schwach vor einer
absurden Euphorie.
    »Nun, Mr. Orr, wenn ich den Mut aufbringe, erlaube ich Ihnen
einmal, mich zum Dinner auszuführen.«
    »Das… würde mich sehr freuen. Ich hoffe sehr, Sie
werden in naher Zukunft unerschöpfliche Reserven an Mut
entdecken.« Ich verbeuge mich leicht und werde mit einem
weiteren Blick auf dieses betörend schöne Bein belohnt.
    »Dann auf Wiedersehen, Mr. Orr. Bleiben Sie in
Verbindung.«
    »Das werde ich. Auf Wiedersehen.«
    Die Tür schließt sich, der Wagen rattert und zischt
davon, der Dampf, den er ausstößt, umwallt mich wie Nebel
und läßt meine Augen tränen. Ich ziehe mein
Taschentuch hervor.
    Es ist ein Monogramm hineingestickt worden. Miss Arrol hat in der
einen Ecke ein kleines O in blauer Seide anbringen lassen.
    Soviel Lebensart; ich bin hingerissen. Und diese paar Zoll
entzückenden Beins in dem dunklen Strumpf!
     
    Brooke und ich sitzen nach dem Lunch in Dissy Pittons
Meeresblick-Salon jeder auf seiner Couch, trinken Glühwein und
sehen zu, wie weit unten eine Flotte von leeren Fischerbooten aufs
Meer hinauszieht. Wenn sie an ihren stationären
Schwesterschiffen vorbeikommen, die Dienst als
Sperrballon-Verankerung tun, tuten sie.
    »Kann nicht sagen, daß ich es Ihnen verdenke«,
sagt Brooke schroff. »Ich habe ihm nie viel zugetraut.« Ich
habe Mr. Brooke meinen Entschluß mitgeteilt, mich nicht von Dr.
Joyce hypnotisieren zu lassen. Wir sehen beide aufs Meer hinaus.
»Verdammte Ballons.« Mein Freund schickt böse Blicke
zu den Anstoß erregenden Blasen hoch. Sie schimmern im
Sonnenschein beinahe silbern. Ihre Schatten sprenkeln das blaue
Wasser des Firth in einem zweiten Muster.
    »Ich dachte, Sie hielten es für richtig…«,
beginne ich, breche ab, runzle die Stirn, lausche. Brooke sieht mich
an.
    »Es steht mir nicht zu, es richtig oder… –
Orr?«
    »Pst«, flüstere ich. Ich höre auf das ferne
Geräusch, dann öffne ich eins der Salonfenster. Brooke
steht auf. Das Dröhnen der sich nähernden Flugzeugmotoren
ist jetzt ganz deutlich.
    »Sagen Sie bloß nicht, die verdammten Dinger kommen
zurück!« ruft Brooke hinter mir.
    »Doch, das tun sie.« Die Flugzeuge kommen in Sicht. Sie
sind niedriger als zuvor, das mittlere ist beinahe auf einer
Höhe mit Dissy Pittons Lokal. Sie fliegen in der gleichen
senkrechten Formation wie das erste Mal königreichwärts.
Wieder läßt jedes eine Spur öliger Rauchwölkchen
hinter sich zurück, ein riesiges Band dunkler Flecken, das am
Himmel hinter ihnen hängt. Die silbergrauen Rümpfe der
Flugzeuge tragen keine Kennzeichen. Die verspiegelten Cockpit-Hauben
glitzern im Sonnenschein. Anscheinend stellen die kombinierten
Drähte der Sperrballons ihnen nur ein ganz unbedeutendes
Hindernis in den Weg. Sie fliegen mit ungefähr einer
Viertelmeile Abstand von der Brücke, wo die Drähte
wahrscheinlich am dichtesten sind. Doch solange wir zusehen, brauchen
sie nur ein einziges Mal kurz zu schwenken, um einem Kabel
auszuweichen. Das Dröhnen verklingt in der Ferne. Der Rauch
bleibt zurück.
    Brooke haut sich mit der Faust in die Handfläche.
»Freche Bettler!«
    Die hängende Wand rauchiger Flecken treibt in der stetigen
Brise langsam auf die Brücke zu.
     
    Nachdem ich mich bei zwei Spielen im Rackets-Club ausgearbeitet
habe, sehe ich bei dem Bilderrahmer vorbei. Miss Arrols Zeichnung ist
während des Nachmittags auf Holz aufgezogen und mit
nichtreflektierendem Glas bedeckt worden.
    Ich hänge sie so, daß sie das Morgenlicht
einfängt, über einen Bücherschrank auf der einen Seite
meiner jetzt reparierten Wohnungstür. Der Fernseher schaltet
sich von selbst ein, während ich die Zeichnung an der Wand
zurechtrücke.
    Der Mann liegt immer noch dort, umgeben von seinen Maschinen. Sein
Gesicht ist ausdruckslos. Das Licht hat sich ein bißchen
verändert; das Zimmer wirkt dunkler. Sein Tropf wird bald
gewechselt werden müssen. Ich betrachte sein blasses, schlaffes
Gesicht. Ich möchte gegen das Glas des Bildschirms klopfen, den
Mann aufwecken… Statt dessen

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