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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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schalte ich das Gerät ab. Hat
es irgendeinen Sinn, das Telefon auszuprobieren? Ich nehme den
Hörer ab. Da ist immer noch der gleiche ruhige Piepton.
    Ich entscheide mich, das Dinner in der Bar des Rackets-Club
einzunehmen.
     
    Laut dem Fernseher in der Club-Bar geht die offizielle Meinung
über die unverschämten Flugzeuge dahin, daß sich
damit jemand von einem anderen Brückenabschnitt einen
kostspieligen Streich leistet. Nach der jüngsten Ausschreitung
von heute sollen die »Verteidigungen« aus Sperrballons
verstärkt werden (es wird nicht erwähnt, warum sie nur auf
der einen Seite der Brücke angebracht wurden). Die
Übeltäter, die für diese nicht genehmigten Flüge
verantwortlich sind, werden gesucht. Die Administration bittet uns
alle, wachsam zu sein. Ich mache den Journalisten ausfindig, mit dem
ich schon einmal gesprochen habe.
    »Ich kann dem wirklich nichts mehr hinzufügen«,
gesteht er.
    »Was ist mit der Dritten City-Bibliothek?«
    »Konnte in unserem Archiv nichts darüber finden.
Allerdings hat es vor einiger Zeit auf diesen Ebenen irgendein Feuer
oder eine Explosion gegeben. Sind Sie sicher, daß das erst zwei
Tage her ist?«
    »Absolut sicher.«
    »Nun, wahrscheinlich versucht man immer noch, es unter
Kontrolle zu bringen.« Er schnippt mit den Fingern. »Oh,
ich kann Ihnen doch etwas erzählen, das in den Nachrichten nicht
erwähnt worden ist.«
    »Was?«
    »Man hat herausgefunden, in welcher Sprache die Flugzeuge
schreiben.«
    »Und?«
    »Braille.«
    »Was?«
    »Braille. Die Blindensprache. Es ist immer noch kompletter
Blödsinn, auch wenn man es entziffert, aber das ist es,
Tatsache.«
    Ich sinke auf meinem Platz zurück, zum zweiten Mal heute
sprachlos.

 
Zwei

----
     
     
    ICH STREITE AUF EINEM MOOR, einer schrägen Tundra-Ebene, die
zu einem Bergkamm und dem grauen, konturlosen Himmel
hinaufführt. Es ist kalt hier. Ein böiger Wind reißt
und zerrt an meinen dünnen Kleidern und walzt die groben,
verkümmerten Grashalme und das Heidekraut flach.
    Das Moor setzt sich bergabwärts fort, verschwindet da, wo der
Hang steiler wird, in grauer Ferne. Die Monotonie dieser langweiligen
Graswüste wird durch nichts als einen schmalen Wasserlauf,
gerade wie ein Kanal, unterbrochen, dessen Oberfläche der kalte
Wind kräuselt.
    Von dem Bergkamm oben kommt ein dünnes Pfeifen.
    Grauer Rauch, von dem reißenden Wind getrieben und zerfetzt,
bewegt sich entlang des Horizonts. Ein Zug erscheint über dem
fernen Grat. Als er näherkommt, erklingt die Dampfpfeife von
neuem, ein hartes, zorniges Geräusch. Die schwarze Lokomotive
und ein paar Wagen bilden eine dunkle Linie, die genau auf mich
zeigt.
    Ich sehe nach unten. Ich stehe zwischen den Gleisen. Die beiden
dünnen Metallinien laufen von mir weg auf den nahenden Zug zu.
Ich trete zur Seite, dann sehe ich wieder nach unten. Ich stehe immer
noch zwischen den Gleisen. Ich trete wieder zur Seite. Die Gleise
folgen mir.
    Sie fließen wie Quecksilber, bewegen sich, wenn ich mich
bewege. Ich bin immer noch zwischen ihnen. Die Dampfpfeife des Zuges
kreischt mich von neuem an.
    Ich mache einen weiteren Schritt zur Seite. Die Gleise bewegen
sich wieder. Es sieht aus, als glitten sie ohne Widerstand oder
Ursache über die Oberfläche des Moores. Der Zug kommt
näher.
    Ich fange an zu rennen, aber die Gleise halten mit mir Schritt,
eins ist immer kurz vor mir, eins mir dicht auf den Fersen. Ich
versuche stehenzubleiben und falle, rolle, immer noch zwischen den
Gleisen. Ich stehe auf und renne in die andere Richtung, renne gegen
den Wind, mein Atem ist wie Feuer. Die Gleise gleiten vor mir und
hinter mir dahin. Der Zug, jetzt sehr nahe, pfeift. Er umfährt
mühelos die Ecken und Knicke in den Gleisen, die mein taumelnder
Zickzackkurs erzeugt hat. Ich laufe weiter, ich schwitze, gerate in
Panik, kann es nicht glauben, aber die Gleise fließen mit, die
Spurweite konstant, vor und hinter mir, genau synchron mit meinem
verzweifelten, stampfenden Trab. Der Zug ist da, die Pfeife
schrillt.
    Die Erde bebt. Die Gleise heulen. Ich schreie und finde den Kanal
neben mir. Kurz bevor die Lokomotive mich erfaßt, werfe ich
mich in das kabbelige Wasser.
    Unter der Wasseroberfläche ist Luft. Ich schwebe durch die
dicke Wärme, drehe mich langsam, sehe die Wasseroberfläche
von unten. Sie glitzert wie ein öliger Spiegel. Ich lande weich
auf dem moosigen Boden des Kanals. Es ist still und sehr warm. Nichts
kommt oben vorbei.
    Die Wände sind aus grauem, glattem Stein und

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