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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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erreichbaren Deck empor, das immer noch ein paar Ebenen
unter dem eigentlichen Bogen des Abschnitts liegt. Die dunklen,
hohen, muffig riechenden Korridore hier oben kommen mir jetzt
vertraut vor, zumindest in ihrem allgemeinen Charakter. Die genaue
Anlage bleibt ein Geheimnis.
    Ich gehe unter den alten, altersschmutzigen Fahnen hindurch,
vorbei an den Nischen mit den steinernen Erinnerungen an Beamte, an
Zimmern voller flüsternder, schick uniformierter Schreiber. Ich
durchquere auf wackeligen Stegen dämmerige, weiß
gekachelte Lichtschächte, luge durch Schlüssellöcher
in verschlossene, dunkle, verlassene Gänge, auf deren
Fußböden Staub und Schutt zollhoch liegen. Ich probiere
die Türen aus, aber die Angeln sind verrostet.
    Schließlich komme ich an einen mir bekannten Korridor. Ein
großer runder Lichtfleck liegt auf dem Teppich vor mir, wo der
Gang sich verbreitert. Die Luft riecht dumpf. Ich könnte
schwören, der dicke Teppich gluckst unter jedem. Schritt. Jetzt
erkenne ich hohe Kübelpflanzen und ein Stück Wand, in der
sich der Eingang zu dem L-förmigen Aufzug befinden
müßte. Der Lichtfleck auf dem Boden hat in der Mitte einen
Schatten, an den ich mich nicht erinnere. Der Schatten bewegt
sich.
    Ich erreiche das Licht. Das große runde Fenster ist da,
sieht immer noch flußabwärts wie ein gewaltiges
Zifferblatt ohne Zeiger. Der Schatten wird von Mr. Johnson geworfen,
Dr. Joyces Patient, der sich weigert, sein Hängegerüst zu
verlassen. Er putzt das Fenster, poliert das Glas in der Mitte mit
einem Lappen, einen Ausdruck hingerissener Konzentration auf dem
Gesicht.
    Hinter und ein bißchen unter ihm schwebt mitten in der Luft,
mehr als tausend Fuß über dem Meeresniveau, ein kleines
Fischerboot.
    Es hängt an drei Kabeln, seine Farbe ist schwarzbraun, es hat
Roststreifen über der Wasserlinie und ist darunter von Muscheln
verkrustet. Es schwebt langsam der Brücke entgegen, steigt im
Näherkommen höher.
    Ich gehe auf das Fenster zu. Hoch über dem schwebenden
Fischerboot sind drei schwarze Sperrballons. Ich sehe zu dem immer
noch wienernden Mr. Johnson hinauf. Ich klopfe gegen das Glas. Er
nimmt keine Notiz davon.
    Das Fischerboot, das immer noch steigt, fährt genau auf das
große runde Fenster zu. Ich hämmere gegen die Scheibe, so
hoch ich hinaufreiche, ich winke mit Stock und Hut und rufe, so laut
ich kann: »Mr. Johnson! Passen Sie auf! Hinter Ihnen!« Ich
donnere gegen die splitternde Glasscheibe, schließlich
zerspringt sie, versprüht Scherben. Ich taumle vor dem Hagel von
Bruchstücken zurück. Mr. Johnson sieht mich wütend an.
Zehn Fuß.
    »Hinter Ihnen!« brülle ich, zeige mit dem Stock
darauf. Dann renne ich in Deckung.
    Mr. Johnson sieht mich laufen und dreht sich um. Das Boot ist noch
sechs Fuß entfernt. Er läßt sich auf den Boden
seines Hängegerüsts fallen. Das Fischerboot fährt
knirschend mitten hinein in das große runde Fenster. Sein Kiel
scharrt über das Geländer von Mr. Johnsons
Hängegerüst und überschüttet ihn mit Muscheln.
Glas birst, Scherben fallen auf den breiten Gang, das Geräusch
brechenden Glases wetteifert mit dem von quietschendem, brechendem
Metall. Der Vordersteven des Fischerbootes durchstößt die
Mitte des Fensters, dessen metallener Rahmen sich biegt wie das Netz
einer Riesenspinne und ein gräßlich ächzendes,
kreischendes Geräusch von sich gibt. Rings um mich bebt das
ganze Bauwerk.
    Dann hört es auf. Es sieht aus, als rucke das Fischerboot ein
bißchen zurück, dann scharrt und kratzt es sich einen Weg
hinauf über den oberen Teil des großen Mandalas, zerbricht
dabei noch mehr Glas. Muscheln und Stücke der zerschmetterten
Scheiben fallen zusammen auf den Teppich, prasseln auf die breiten
Blätter der in der Nähe stehenden Kübelpflanzen wie
ein harter, erbarmungsloser Regen.
    Dann ist es unglaublicherweise vorbei. Das Fischerboot gerät
außer Sicht. Der Glasscherbenregen hört auf. Das
Geräusch, mit dem das Boot zu den restlichen Stockwerken der
oberen Brücke hochscharrt, zittert durch die Luft.
    Mr. Johnsons Hängegerüst schwingt hin und her, wird
allmählich langsamer. Er regt sich, hält Umschau und steht
langsam auf. Glasscherben rieseln von seinem Rücken wie
glitzernde Schlangenhaut. Er leckt sich ein paar Wunden auf den
Handrücken, staubt sich vorsichtig etwas Glasstaub von den
Schultern, geht über sein immer noch leicht schaukelndes
Hängegerüst und hebt einen Handfeger auf. Er macht sich
daran, die Bruchstücke der

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