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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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nahe. Wenn ich
beide Arme ausstrecke, kann ich sie beinahe gleichzeitig
berühren. Die Wände folgen einer leichten Biegung,
verblassen in beiden Richtungen unter dem dämmerigen Licht, das
von oben einfällt. Ich lege meine Hand auf eine der glatten
Wände und stoße mir den Zeh an etwas Hartem unter dem
Moos, nahe der Wand.
    Nachdem ich etwas von dem Moos weggeräumt habe; entdecke ich
ein Stück glänzendes Metall. Ich streife noch mehr Moos ab.
Es ist lang wie ein Rohr und am Boden des Kanals befestigt. Im
Querschnitt hat es die Form eines aufgeblasen wirkenden I. Bei
näherer Betrachtung stelle ich fest, daß es an der ganzen
Wand entlangläuft. Es hebt das grünbraune Moos zu einem
ununterbrochenen, kaum zu erkennenden Grat. Auf der anderen Seite
verläuft nahe der Wand eine ebensolche Linie.
    Ich springe auf, streife hastig das Moos wieder über das
Stück Schiene, das ich freigelegt habe.
    Während ich das tue, fängt die dicke, warme Luft an,
langsam an mir vorbeizuziehen, und von weit unten aus der engen Kurve
des Tunnels kommt das schwache, dünne Pfeifen einer sich
nähernden Lokomotive.

 
     
    Mit einem leichten Kater warte ich in der
Inches-Frühstücksbar auf meine Bücklinge und denke
darüber nach, ob ich diese Zeichnung von Miss Arrol von meiner
Wand abnehmen soll.
    Der Traum hat mich beunruhigt. Ich wachte schwitzend auf und warf
mich in meinem Bett hin und her, immer noch naß vor
Schweiß, bis ich schließlich aufstehen mußte. Ich
nahm ein Bad, schlief in dem warmen Wasser ein und erwachte eiskalt,
voller Angst, zuckend wie unter Strom stehend und in meiner
Verwirrung plötzlich überzeugt, ich säße in
einem engen Tunnel in der Falle, die Badewanne sei ein Tunnel-Kanal
und das kalte Wasser mein eigener Schweiß.
    Ich lese die Morgenzeitung und trinke meinen Kaffee. Die Regierung
wird kritisiert, weil sie den gestrigen Vorüberflug nicht
verhindert hat. Nicht näher bezeichnete neue Maßnahmen
werden im Hinblick darauf überprüft, ob sie weitere
Verletzungen des Brücken-Luftraums verhindern können.
    Meine Bücklinge kommen. Ihre herausgelösten Gräten
haben ein Muster auf dem hellbraunen Fleisch hinterlassen. Meine
Überlegungen zu der allgemeinen Topographie der Brücke
kommen mir wieder in den Sinn. Ich versuche, meinen Kater zu
ignorieren.
    Es gibt drei Möglichkeiten:
    1. Die Brücke ist nichts weiter als eine Brücke, eine
Verbindung zwischen zwei Landmassen. Sie sind sehr weit voneinander
entfernt, und die Brücke führt eine von ihnen
unabhängige Existenz, aber der Verkehr von der einen zur anderen
überquert die Brücke.
    2. Die Brücke ist eigentlich ein Pier. An dem einen Ende ist
Land, aber nicht an dem anderen.
    3. Die Brücke hat überhaupt keine Verbindung mit
irgendwelchem Land, ausgenommen die kleinen Inseln unter jedem
dritten Abschnitt.
    In den Fällen 2 und 3 könnte sie noch im Bau sein. Sie
könnte deshalb ein Pier sein, weil sie die andere Landmasse noch
nicht erreicht hat, oder wenn sie keine Verbindung mit Land hat,
könnte nicht nur an einem, sondern an beiden Enden an ihr gebaut
werden.
    Zu Fall 3 gibt es eine interessante Sub-Möglichkeit. Die
Brücke scheint gerade zu sein, aber es gibt einen Horizont, und
die Sonne geht auf, beschreibt einen Bogen, geht unter. Deshalb
könnte die Brücke unter Umständen zu sich selbst
zurückkehren, einen Kreis bilden, den Erdball umgürten,
topographisch geschlossen.
     
    Als ich auf dem Weg hierher die Bibliothek besuchte, um mir ein
Braille-Buch anzusehen, fiel mir die immer noch verlorene Dritte
City-Bibliothek wieder ein. Ich fühle mich nach dem
Frühstück gestärkt und entschließe mich, zu dem
Abschnitt zu gehen, der sowohl Dr. Joyces Praxis als auch die
sagenhafte Bibliothek beherbergt. Ich werde einen weiteren
Vorstoß machen, um das verdammte Ding zu finden.
    Es ist wieder ein schöner Tag. Ein warmer Wind bläst
flußaufwärts und spannt die Drähte der Sperrballons
schräg, als die grauen Blasen versuchen, auf die Brücke
zuzutreiben. Zusätzliche Ballons steigen in den Himmel auf; auf
großen Kähnen lagern weitere halbaufgeblasene Ballons, und
manche Fischerboote sind bereits mit zwei Ballons ausgerüstet,
die über ihnen ein gigantisches V aus Kabeln produzieren. Einige
der Ballons sind schwarz angestrichen worden.
    Ich spaziere pfeifend über das Verbindungsstück von dem
einen Abschnitt zum nächsten und schwenke meinen Stock. Ein
vornehmer, aber konventioneller Aufzug trägt mich zum
höchsten

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