Die Brücke
Concourse
Edgar. Kellner schlagen mit ihren langen weißen Servietten auf
die Nachbartische ein. Seemöwen rufen und kreisen in der Luft,
sammeln sich um ein vorstehendes Gebäude, wo
Küchenabfälle hinausgeworfen werden. Die Flügel der
Vögel blitzen weiß; die Servietten der Kellner flattern
und knattern über die Tische. Auf dem Weg hierher habe ich in
Zimmer 306 hineingeschaut, ob Post für mich da war, doch da war
keine. Die Blechfabrik unten kreischte.
Ich lasse mir für meine letzte Tasse Kaffee Zeit.
Ich wandere von der einen Seite der Brücke zur anderen. Jetzt
haben die meisten Fischerboote zwei Sperrballons. Einige Ballons
müssen direkt im Meeresgrund verankert sein; orangefarbene Bojen
zeigen die Stellen, wo die Kabel im Wasser verschwinden.
Zum Lunch habe ich ein Sandwich und eine Wachspapier-Tasse mit
Tee. Ich sitze auf einer Bank mit Blick flußaufwärts. Das
Wetter schlägt um, es wird kälter, und der Himmel bezieht
sich allmählich. Es war zeitiger Frühling, als ich hier
angespült wurde. Jetzt ist der Sommer beinahe vorbei. Ich wasche
mir die Hände in der Toilette einer Tram-Station und nehme eine
Tram – Holzklasse – zu dem Abschnitt, wo die
verlorengegangene Bibliothek sein sollte. Ich suche und suche, ich
probiere jeden Aufzugschacht aus, den es dort gibt, aber keiner
enthält die L-förmige Kabine, nach der ich Ausschau halte,
oder den alten Fahrstuhlführer. Meine Fragen begegnen
verständnislosen Blicken.
Die Oberfläche des Firth ist jetzt grau wie der Himmel. Die
Sperrballons zerren an ihren Kabeln. Meine Beine schmerzen vom
Treppensteigen. Regen klatscht gegen die schmutzigen Fensterscheiben
der hohen Korridore, wo ich mich hinsetze und versuche, neue
Kräfte zu sammeln.
Unter dem Bogen der Brücke, in einem dunklen, tropfenden
Korridor finde ich unter einem zerbrochenen Oberlicht eine
Pfütze aus weißen Bällchen. Sie haben eine porige
Oberfläche und fühlen sich sehr hart an. Während ich
dort stehe, fliegt ein weiterer Ball durch das zerbrochene Oberlicht
herein und fällt auf den Boden. Ich ziehe einen
mottenzerfressenen Sessel aus einem Alkoven, stelle ihn unter das
Oberlicht, steige hinauf und stecke den Kopf durch das Loch in der
Scheibe.
In der Ferne erkenne ich einen hochgewachsenen alten Mann mit
weißem Haar. Er trägt Knickerbockers, Pullover und
Mütze. Er schwingt eine lange dünne Keule gegen etwas, das
vor seinen Füßen liegt. Ein weißer Ball kommt durch
die Luft auf mich zugesegelt.
»Achtung!« ruft der Mann. Ich glaube, er meint mich. Er
winkt, der Ball hüpft in der Nähe des Oberlichts. Er nimmt
die Mütze ab, stemmt die Hände in die Hüften und sieht
mich an. Ich steige von dem Sessel und finde eine Treppe, die nach
oben führt. Als ich dort ankomme, ist von dem alten Mann keine
Spur mehr zu sehen. Aber das Fischerboot ist da, umgeben von
Arbeitern und Beamten. Es liegt unterhalb eines beschädigten
Funkturms. Sperrballons, aus denen die Luft entwichen ist,
hängen über den nächsten Trägern wie gebrochene
schwarze Schwingen. Es regnet, ein steifer Wind weht, Ölzeug und
Mäntel flattern und glitzern.
Früher Abend, trüb und naß. Die Füße
tun mir weh, und mein Magen knurrt. Ich kaufe mir wieder ein Sandwich
und esse es in der Tram. Es ist ein langer und ermüdender Weg
die sich monoton wendelnde Treppe zu der alten Wohnung der Arrols
hinunter. Meine Beine schmerzen, bis ich das richtige Stockwerk
erreiche. Ich komme mir in dem verlassenen Korridor wie ein Dieb vor.
Den Wohnungsschlüssel halte ich vor mir wie einen kleinen
Dolch.
Die Wohnung ist kalt und dunkel. Ich schalte ein paar Lampen ein.
Das graue Wasser braust draußen; ein dumpfer Salzgeruch
füllt die kühlen Räume. Ich schließe die
Fenster, die ich heute morgen offengelassen habe, und lege mich auf
das Bett, nur für einen Augenblick, aber ich schlafe ein. Ich
kehre auf das Moor zurück, wo mich unmögliche Züge in
enge Tunnel jagen. Ich sehe den Barbaren eine Unterwelt aus Schmerz
und Qual beschleichen; ich bin nicht er, ich bin an die Wand
gekettet, rufe ihm zu… Er eilt mit federnden Schritten weiter,
zieht sein Schwert. Ich bin wieder auf der sich drehenden
Eisenbrücke, renne in alle Ewigkeit über den rostenden
Ring, durch den der Fluß fließt. Ich renne und renne im
Regen, bis meine Beine schmerzen…
Ich wache wieder auf, naß vor Schweiß, nicht vor
Regen. Meine Beine sind steif, verkrampft. Eine Glocke läutet.
Ich sehe mich benommen nach einem Telefon um.
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