Die Brücke
wegzustellen, nimmt einen Schluck. Es ist
eine merkwürdige, seltsam rührende Haltung, eine kleine,
kuschelnde, beinahe kindliche Geste, ganz unbewußt
betörend. »Ich friere.« Sie wendet sich mir zu, und in
ihren grauen Augen liegt etwas, das fast wie Traurigkeit ist.
»Könnten Sie die Fensterläden schließen? Es
sieht draußen so kalt aus. Ich mache das Feuer an,
ja?«
»Natürlich.« Ich stelle mein Glas hin und gehe zu
den Fenstern, schließe mit den hohen Holzbrettern den dunklen
Tag aus. Abberlaine überredet einen alten, zischenden Gasofen
zum Aufflammen, hockt sich davor auf die Fersen und hält die
behandschuhten Hände darüber. Ich sitze auf einem
lakenverhüllten Sessel daneben. Sie sieht in die Flammen. Das
Feuer zischt.
Nach einer Weile fragt sie, als erwache sie aus einem Tagtraum:
»Haben Sie gut geschlafen?«
»Ja, danke, sehr bequem.« Sie hat ihr Glas auf den
gekachelten Ofensims gestellt, ergreift es, trinkt. Ihre
Strümpfe haben ein Zickzackmuster, kleine Ixe innerhalb von
größeren Ixen, ihren Beinen in geschwungenen Mustern
angegossen, hier angezogen, erhellt von dem darunter
hervorleuchtenden Fleisch, da nachgebend, wo die Strümpfe
dunkel, die Ixe über der hellen Haut des Mädchens dichter
werden.
»Gut«, sagt sie leise. Sie nickt langsam, immer noch
fasziniert von dem Feuer. Das rote Kleid reflektiert die
gelborangefarbenen Flammen wie ein rubinroter Spiegel.
»Gut«, wiederholt sie.
Die Wärme des Feuers erhitzt ihre Haut. Langsam baut sich in
der Luft zwischen uns der Geruch ihres Parfüms auf. Sie atmet
tief ein, hält den Atem an, läßt ihn seufzend
entweichen, immer den Blick auf das zischende Feuer gerichtet.
Ich leere mein Glas, nehme die Flasche. Ich gehe zu dem
Mädchen hinüber, setze mich neben sie, um ihr Glas und
meins zu füllen. Ihr Parfum ist süß und stark. Sie
rutscht von den Fersen auf den Fußboden, die Beine zur Seite
gestreckt, einen Arm stützend nach hinten aufgesetzt. Sie sieht
zu, wie ich die Gläser fülle. Ich stelle die Flasche hin,
betrachte ihr Gesicht. Ihr Lippenstift ist in einem Mundwinkel ein
bißchen verschmiert. Sie merkt, daß ich sie betrachte.
Eine Augenbraue hebt sich langsam. Ich sage: »Ihr
Lippenstift…«
Ich ziehe das Taschentuch, das sie mit meinem Monogramm hat
versehen lassen, aus der Tasche. Sie beugt sich vor, damit ich den
störenden roten Fleck wegwischen kann. Ich fühle den Atem
aus ihrer Nase auf meinen Fingern, als ich ihre Lippen durch den
Stoff berühre.
»So.«
»Ich fürchte«, sagt sie, »ich habe Lippenstift
auf nicht wenigen Kragen hinterlassen.« Ihre Stimme ist leise,
fast ein Murmeln.
»Oh.« In gespielter Mißbilligung schüttele
ich den Kopf. »Ich würde mich nicht damit aufhalten, Kragen
zu küssen.«
»Ach nein?«
»Nein.« Ich rücke näher an sie heran,
berühre sacht ihr volles Glas mit dem meinen.
»Was dann?« Ihre Stimme wird nicht leiser, sie nimmt
statt dessen einen anderen Klang an, verschwörerisch, wissend,
sogar ironisch. Das reicht als Einladung. Es ist nicht ganz so, als
hätte ich mich ihr an den Hals geworfen.
Ich küsse sie, erst leicht, beobachte ihre Augen (und sie
erwidert meinen Kuß, leicht, und beobachtet meine). Sie
schmeckt schwach nach Wein und etwas Wohlriechendem, auch nach einem
Hauch Zigarrenrauch. Ich drücke mich ein bißchen enger an
sie und lege meine freie Hand an ihre Taille, fühle ihre
Wärme durch den glatten roten Satin. Das Feuer zischt
geschäftig hinter mir, wärmt meinen Rücken. Ich bewege
meinen Mund langsam über ihrem, schmecke ihre Lippen, streife
ihre Zähne. Ihre Zunge kommt der meinen entgegen. Abberlaine
strebt für einen Augenblick zur Seite, so daß ich glaube,
sie will sich mir entziehen (ihre Stirn kräuselt sich). Aber sie
sucht nur nach einem Platz, wo sie ihr Glas abstellen kann. Dann
faßt sie mich bei den Schultern, schließt die Augen. Ihr
Atem weht ein bißchen schneller gegen meine Wange, und ich
küsse sie tiefer. Mein eigenes Glas lasse ich auf einer
Armlehne.
Ihr Haar ist fein und riecht nach diesem Moschus-Parfum. Ihre
Taille fühlt sich noch schlanker an, als sie aussieht. Ihre
Brüste bewegen sich in dem roten Kleid, von etwas, das sie unter
dem Satin trägt, gehalten, aber nicht eingeengt. Ihre
Strümpfe fühlen sich weich an, ihre Beine warm. Sie
faßt mich, umarmt mich; dann zieht sie sich zurück, nimmt
meinen Kopf zwischen beide Hände und sieht mich an, ihr heller
Blick geht von Auge zu Auge. Ihre Brustwarzen bilden
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